ZUM TAGE

Neuanfang auf dünnem Eis

von Redaktion

Führungswechsel beim TSV 1860

Die Löwen tagen – und halb München zuckt innerlich zusammen. Nicht schon wieder Zoff zwischen e.V., Investor, Verwaltungsrat und Fanbasis. Aber diesmal? Obwohl ein Führungswechsel bevorsteht, liegt eine erstaunliche Ruhe über dem Verein. Präsident Reisinger tritt ab – nicht ganz freiwillig. Sein Verhältnis zum Verwaltungsrat war zuletzt so frostig wie der Eiswagen vorm Zenith. Sein designierter Nachfolger: Möbelunternehmer Gernot Mang, bislang unauffällig – was bei 1860 fast ein Vorteil ist. Auffallen tun dort meist die Falschen.

Mang sagt: „Es geht nur miteinander und nicht gegeneinander.“ Er verspricht, alle Abteilungen zu verzahnen – vom Spitzen- bis zum Breitensport. Aber hat er das Zeug dazu, den tief gespaltenen Verein wirklich zu einen? Der Oberlöwe in spe wandelt auf dünnem Eis. Ist dem aktuellen Burgfrieden zu trauen?

Die Opposition? Abgemeldet. Ismaik? Abgetaucht. Letztes Jahr fochten seine Anhänger um jeden Gremiumssitz, diesmal herrscht Schweigen. Demokratie braucht Streit – aber auch Leute, die überhaupt noch mitstreiten wollen. Oder zumindest stänkern. Ist die Zurückhaltung der Anfang von Vernunft? Oder nur die halbe Ruhe vor dem nächsten rhetorischen Böllerwurf?

Sportlich träumen gerade viele. Gleichzeitig klafft ein heftiges Loch in der Kasse: Laut SZ fehlen bereits im Herbst fünf Millionen Euro, um den Spielbetrieb bis 2028 zu sichern. Mang wird nicht nur als Diplomat geprüft, sondern auch in puncto Haushaltsführung, Stadionstrategie, Sponsoren- und Mitgliederpflege. Der Vorarlberger wirbt beruflich für Wohlfühloasen („Wohnen und gut leben“), aber eine zutiefst zersplitterte Fanlandschaft zu versöhnen? Das ist eine ganz andere Hausnummer.

Reisinger wird all das ab Sonntag aus der Distanz verfolgen. Er zieht sich auf die Zuschauerränge zurück, wird auch auf seinen Golfreisen informiert bleiben. Sicher ist: Er wird sich seinen Teil denken, wenn die Ära Mang beginnt – zu Recht, bei all den Dramen, denen er acht Jahre als Hauptdarsteller standhielt.

Ist ein Neuanfang möglich? Vielleicht. Aber der braucht mehr als einen ruhigen Wahlsonntag – er braucht echte Versöhnung, finanzielle Stabilität, belastbare Konfliktlösungswege. Wenn’s klappt, könnte 1860 eine sportlich-finanzielle Perspektive gewinnen. Wenn nicht, wird Reisinger bei den nächsten Heimspielen wissend nicken – und ahnen, dass die nächste Runden im Dauerstreit nicht lange auf sich warten lassen.

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