Sportdirektor Sean Shelton hofft auf ein Playoff-Heimspiel. © Schmidt
Quarterback Russell Tabor war ein wahrer Glücksgriff für die Munich Ravens. © IMAGO/Benito
München – Die Munich Ravens liegen voll auf Playoff-Kurs. Nach sieben von zwölf Spielen in der regulären Saison führen die Münchner mit sechs Siegen bei nur einer Niederlage die Süd-Division der European League of Football (ELF) souverän an. Dabei musste Sean Shelton, General Manager der Ravens, zuletzt oft zittern. „Ich hoffe, dass das nicht zur Gewohnheit wird“, sagt er erleichtert nach dem Punkte-Spektakel bei den Madrid Bravos (43:40). Nachdem sein Team schon mit 9:26 in Rückstand gelegen war, drehte vor allem die Offensive um Quarterback Russell Tabor auf und erzielte reihenweise Touchdowns.
Bereits eine Woche zuvor lieferten sich die Ravens zu Hause gegen Stuttgart Surge einen wilden Schlagabtausch, damals gelang den Münchnern der entscheidende Touchdown zum 36:33 zwölf Sekunden vor dem Ende. „Das ist gutes Training. Wenn wir den Titel holen wollen, dann müssen wir genau solche Spiele gewinnen“, so Shelton.
Sportlich läuft es also bei Münchens Footballern. Das große Aber: In der jungen Vereinsgeschichte besuchten bisher so wenige Zuschauer ihre Heimspiele wie nie zuvor – und das in der bislang stärksten Saison. Während in den ersten beiden Spielzeiten im Schnitt etwa 5000 Fans pro Spiel im Unterhachinger Sportpark waren, fanden an den ersten vier Spieltagen durchschnittlich nur noch 3030 Zuschauer den Weg ins Stadion.
Sportdirektor Shelton sagt, dass sie in der Winterpause ihre Chance verpasst haben, die Qualität der Mannschaft besser zu vermarkten: „Die Leute wussten ja gar nicht, was wir in dieser Saison für ein erstklassiges Team haben. Jetzt gewinnen wir, die Stimmung im Stadion war zuletzt sensationell, ich hoffe, mit dem Erfolg kommen auch wieder mehr Fans.“ Die Ticketeinnahmen seien hinter den Sponsoren-Geldern die zweitwichtigste Einnahmequelle des Vereins.
Nicht nur die Ravens stagnieren hier in der Entwicklung, sondern auch die 2021 von Hauptinitiator Patrick Esume gegründete Liga selbst. Das größte Problem liegt laut Shelton auf der Hand: „Wir haben Mannschaften in der Liga, die einfach nicht mithalten können.“ Ein 54:2 der Wroclaw Panthers (Breslau) gegen Köln, ein 34:0 von Wien gegen Prag oder ein 62:0-Auswärtserfolg der Paris Musketeers gegen das Schweizer Team Helvetic Mercenaries – wie vergangenes Wochenende geschehen – „sind für die Zuschauer nicht spannend genug“.
Shelton sieht die Besitzer der Vereine in der Verantwortung, die ihre Clubs besser führen müssten. Diese bei finanzieller Schieflage oder sportlicher Irrelevanz sofort auszuschließen, hält er aber nicht für den richtigen Weg und führt als positives Beispiel die Situation in Prag an. Wie die Münchner stiegen die Prague Lions 2023 in die ELF ein. Schon vor dem achten Spieltag hatten die Tschechen finanzielle Probleme, sportlich holte man in den ersten beiden Jahren jeweils nur einen Sieg. Nach einem Besitzer-Wechsel befindet sich das Team mittlerweile in ruhigeren Gefilden und feierte in dieser Saison schon vier Siege bei nur drei Niederlagen.
Solche Beispiele gibt es allerdings noch zu selten, weswegen Shelton der Liga rät, mehr auf die Besitzer und das Management der kriselnden Vereine einzugehen. Hier hat der Münchner Sportdirektor dieselbe Meinung wie die kürzlich gegründete European Football Allianz (EFA), der acht der 16 ELF-Teams angehören – nicht aber die Ravens. Die Allianz kritisiert die schlechte Kommunikation und mangelnde Transparenz von Seiten der Liga. Martin Wagner, Gründungsgesellschafter von Rhein Fire, drohte der Liga sogar und sagte bei der Rheinischen Post: „Wir wollen weiter Football spielen, und wir wollen nicht mehr unter diesem Dach spielen.“
Die EFA fordert die gemeinsame Nutzung der Ressourcen und mehr Unterstützung hinsichtlich des Vereinsmanagements, um die Qualität sowie die Nachhaltigkeit des Sports in Europa zu verbessern. „Ob wir bei der EFA dabei sind oder nicht, ist eigentlich egal. Wir alle investieren in die ELF und wollen eine professionellere Liga als wir sie jetzt haben“, sagt Shelton. Außerdem hält Ravens-Inhaber Thomas Krohne auch einen kleinen Anteil an der ELF. Das hielt aber Wroclaw nicht davon ab, sich der Allianz anzuschließen – auch die Polen sind mit knapp zwei Prozent an der Liga, die sie stark kritisieren, beteiligt. Die weiteren EFA-Clubs sind: Rhein-Fire Düsseldorf, Frankfurt Galaxy, Madrid Bravos, Paris Musketeers, Vienna Vikings, Tirol Raiders und Prague Lions.ALEXANDER VORMSTEIN