CHALLENGE ROTH

Der Körper schreit: Stopp!

von Redaktion

Redakteur Mathias Müller (39) über seinen ersten Ironman

Endlich im Ziel: Redakteur Mathias Müller beendet sein erste Triathlon-Langdistanz nach 10 Stunden und 46 Minuten.

Sieger-Trio: Schomburg, Laidlow, Stratmann (v.li.)

3,8 km Schwimmen – ohne Neo, der war verboten.

Rad-Highlight mit Tour-de-France-Feeling: der Solarer Berg in Hipoltstein.

Roth – Zumindest am Freitagabend habe ich die Nase vorne. Kurz nachdem ich meine Startunterlagen für meine erste Langdistanz abhole, federt Mitfavorit Jonas Schomburg zur Anmeldung. Zwei Tage später hat der 31-Jährige nach 3,8 km Schwimmen, 180 km Rad und dem 42,2-km-Marathon dann eine Menge Vorsprung. Und doch haben der Triathlon-Profi und der Rookie vergangenen Sonntag im Ziel der Challenge Roth eines gemeinsam – beide zittern vor Erschöpfung am ganzen Körper.

Während es der am Ende zweitplatzierte Schomburg und der diesjährige Champion Sam Laidlow (26) gewohnt sind, ihre Körper an der Leistungsgrenze zu bewegen, wollte ich selbige für mich finden. „Kenne dein Warum“, gab mir tags zuvor noch ein Freund und erfahrener Ironman mit auf den Weg. Ich kann vorwegnehmen: Spätestens in der letzten Stunde meines Ausdauer-Abenteuers hatte ich darauf keine Antwort mehr. Aber der Reihe nach.

Die Entscheidung, dass wegen der warmen Wassertemperatur im Main-Donau-Kanal ohne Neoprenanzug geschwommen werden muss – erlaubt ist er bei Amateuren bis 24,5 Grad – stecke ich gut weg. Die 3,8 km werden zwar kräftezehrender und ein paar Minuten gehen flöten, weil der Neo Auftrieb generiert und die Wasserlage verbessert, aber so ist es eben. Einen deutlich härteren mentalen Tiefschlag erlebe ich beim Bike-Check-In am Samstagnachmittag. Um mich herum stehen zu 99 Prozent nur sündteure Zeitfahrräder. Mein zehn Jahre altes Allround-Rennrad ziert zwar ein Aero-Lenker, aber materialtechnisch fühle ich mich einem Großteil der 3500 Einzelstarter ziemlich unterlegen.

Aha-Momente mit Ente

Auch der Schwimmstart am Sonntag – für mich um 7.40 Uhr, für die Profis schon um 6.30 Uhr – läuft holprig. Immer wieder stoße ich an andere Beine und Arme und finde wenig Rhythmus. Doch es wird besser. Aha-Momente inklusive. Zuerst bricht die Sonne durch die Wolken, dann sehe ich fast zum Greifen nah plötzlich eine Ente vor mir schwimmen. Schmunzelnd kraule ich weiter – 1:17,27 Stunden lang.

Danach schnell die Radschuhe an, Helm und Brille auf und die Startnummer umgebunden. Der erste Wechsel klappt reibungslos – denke ich noch, bis ich am Rad merke, dass ich vergessen habe, meinen Swimskin auszuziehen. Ich muss noch mal zurück, wieder etwas Zeit futsch. Ärgerlich, aber der Fauxpas ist 2023 bei den US Open selbst Legende Jan Frodeno passiert.

Dafür rollt es sich gut los. Wichtig auf den kommenden 180 km: essen, trinken, essen, trinken. Wer im Sattel energetisch abschmiert, für den wird der Marathon zur Hölle. Emotionales Highlight ist der fast sagenumwobene „Solarer Berg“. Auf dem Weg dorthin düst zwischenzeitlich die Spitze des Feldes – Schomburg führt hier noch vor Laidlow – auf ihrer zweiten 90-km-Runde an mir vorbei. Als ich dann von Hiltpoltstein nach Solar hinaufstrample, komme ich mir selbst wie ein Star vor. Die Straße wird immer enger, die in mehreren Reihen wartenden Fans immer frenetischer. Tour-de-France-Feeling pur.

Mein zweites Schmankerl: Mitstarter Matthias, der mich nach rund 15 Kilometern auf seiner High-End-Maschine überholt und zuruft: „Respekt. Tolle Leistung… mit dem Rad!“ Etwa 100 km später an einem Anstieg traue ich meinen Augen kaum – da fährt Matthias. Ich grinse rüber: „Hier bin ich wieder.“ Auch er muss lachen. Meine Radzeit liegt bei 5:32:07 Stunden (Schnitt: 32.52 km/h). Für mich top, denn mehr als 150 km bin ich in der Vorbereitung nie gefahren.

Spätestens in den Laufschuhen ist die Gaudi vorbei, denn der abschließende Marathon (meine Zeit: 3:48:46) hat schon viele Opfer gefordert. Die ersten Kilometer verlaufen überraschend geschmeidig. Da ich verletzungsbedingt (viel) zu wenig Umfänge abspulen konnte, rechne ich mit dem bei vielen Nicht-Profis üblichen Einbruch nach zehn Kilometern.

Im Ziel beginnt das große Zittern

Als der ausbleibt, nehme ich mir vor, meinen 5er-Schnitt möglichst bis zur 22-km-Marke durchzuziehen und dann Kassensturz mit Blick auf meine Zielzeit von unter elf Stunden zu machen. Der Plan geht auf, ich habe noch mehr als zwei Stunden Puffer. Die Ziellinie ist allerdings noch weit weg – und die Oberschenkelmuskulatur am Ende ihrer Kräfte. Auch die Verpflegung wird zäh. Mir ist schlecht, ich muss mich überwinden, hier und da noch ein Gel reinzuquetschen. „Ab Kilometer 30 beginnt so ein Rennen oft erst richtig“, sagt Jan Stratmann (29), der am Ende Dritter wird.

Er hat Recht. Auf den letzten 15 Kilometern leide ich wie ein Hund und bin sicher: „Einmal im Leben. Dann nie wieder.“ Mein Körper schreit, doch endlich aufzuhören, aber ich schleppe mich Schritt für Schritt ins mit tausenden Menschen gefüllte Stadion und nach 10:46:49 Stunden in die Arme meiner Familie und Freunde.

Dann dauert es zehn Minuten, bis das große Zittern beginnt. Meine Energiespeicher – bei einem Ironman verbraucht man rund 8000 Kalorien – sind leergefegt. Während mich im Verpflegungszelt warme Brühe langsam zurück ins Leben holt, füllt sich draußen vor dem Registrierungs-Office schnell die Warteschlange – für die Startplätze, die am Montagmorgen um neun Uhr in begrenzter Anzahl für 2026 ausgegeben werden. Der Mythos Roth lebt.MATHIAS MÜLLER

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