ZUM TAGE

Einer der Letzten seiner Art

von Redaktion

Abschied von Hermann Gerland

Mit dem Karriereende von Hermann Gerland verliert der deutsche Fußball nicht nur einen Trainer, sondern eine Institution. Über 50 Jahre lang prägte der „Tiger“ die Bundesliga – als Spieler, als Talentschmied, als Co-Trainer bei den größten Erfolgen des FC Bayern und zuletzt als Assistent der U21-Nationalmannschaft. Nun verabschiedet sich der 71-Jährige in den Ruhestand. Was bleibt, ist die Erkenntnis: Mit Gerland geht einer der Letzten seiner Art.

In einer Zeit, in der der Fußball zunehmend zu einer Wissenschaft mutiert – mit spezialisierten Standardtrainern, Matchplananalysten und GPS-gesteuerter Belastungskontrolle –, steht Gerland für eine Ära, in der neben einer guten Portion Fachwissen vor allem Herz, Instinkt und Menschenkenntnis im Mittelpunkt standen. „Belastungssteuerung? Bevor du anfängst zu steuern, musst du erst mal belasten“, lautet einer seiner berühmten Sprüche. Und das meinte er ernst. Talente wie Philipp Lahm, Thomas Müller oder Bastian Schweinsteiger mussten bei ihm durchs Feuer – und wurden zu Weltstars. Belastung statt Behütung, direkte Ansprache statt weichgespülter Kommunikation.

Gerland war ein Typ, wie er heute kaum noch zu finden ist: hart, aber herzlich. Seine Wurzeln im Ruhrgebiet prägten ihn – geradeaus, ehrlich, schnörkellos. In Zeiten von Social Media, in denen jedes Wort in Watte gepackt wird, wirkte Gerland wie ein Fossil – aber ein wertvolles. Denn gerade junge Spieler brauchen nicht nur fußballerische, sondern auch soziale Schulung. Gerland war ein Lehrer fürs Leben, kein Coach auf Zeit.

Toptrainer wie Pep Guardiola, Jupp Heynckes oder Hansi Flick lobten seinen ungetrübten Blick, seine klare Meinung, seine Loyalität. Er war kein Laptoptrainer, sondern vielmehr ein überaus fußballaffiner Menschenfänger, der Spieler mit seiner knorrigen Art zu Höchstleistungen trieb. Einer, der nicht nur den Spieler formt, sondern den Menschen. Und genau das brauchen junge Spieler heute mehr denn je. Aber jetzt müssen eben seine Enkelkinder herhalten…

Artikel 1 von 11