„Herzensprojekt“ Florian Lipowitz. © IMAGO
Toulouse – Florian Lipowitz musste sich etwas anstrengen, um den laut surrenden Staubsauger auf dem Hotelflur zu übertönen. Der deutsche Rad-Jungstar nahm in einem Konferenzraum in der Nähe des Flughafens von Toulouse Platz, stellte sich den Fragen der Medienvertreter, aber freute sich auch auf etwas Zeit für sich am ersten Ruhetag bei der 112. Tour de France.
„Vor allem nach den ersten Etappen habe ich mich nicht ganz so gut fühlt, habe ein bisschen an mir gezweifelt“, sagte der 24 Jahre alte Tour-Debütant und frühere Biathlet. „Aber ich bin jetzt auch froh mit dem Ruhetag heute. Ich meine, zehn Tage am Stück sind schon sehr kräftezehrend.“ Riesiges Medieninteresse, Zehntausende Fans an den Strecken, mehr Risikobereitschaft der Fahrer im Vergleich zu anderen Rennen: „Das überfordert einen schon am Anfang“, sagte Lipowitz über die intensiven Eindrücke.
Der freie Tag kam also genau richtig. Seine Eltern waren angereist und es stand eine „ganz gemütliche“ Trainingsfahrt mit den Kollegen an. Dann noch Mittagessen und ein Mittagsschlaf.
Über dem rennfreien Tag schwebte jedoch vor allem die Frage, wie die sportliche Leitung des Red-Bull-Teams mit der Rollenverteilung an der Spitze umgeht. Der aufstrebende Lipowitz soll neben dem routinierten Slowenen Primoz Roglic eigentlich Erfahrung sammeln. Das Team will den sensiblen jungen Mann, der einst 100 Kilometer mit dem Rad zurücklegte, um Teamchef Ralph Denk von sich zu überzeugen, behutsam entwickeln. Denk bezeichnete den Aufbau von Lipowitz zum Top-Rundfahrer als „Herzensprojekt“.
Der Rad-Quereinsteiger, der kürzlich den dritten Rang bei der Dauphiné-Rundfahrt hinter den Superstars Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard bejubelte, hält bislang aber stark bei der Tour mit. Sogar etwas besser als der viermalige Vuelta-Gewinner Roglic. In der Gesamtwertung liegt Lipowitz als Achter sieben Sekunden vor dem Neunten Roglic. „Wir kommen ganz gut miteinander aus. Ich meine, wir sind beide vom Wintersport. Das verbindet vielleicht auch ein bisschen“, sagte Lipowitz.DPA