Narbonne – Florian Lipowitz schlurfte im sommerlichen Schlabberlook durch das Teamhotel und genoss inmitten des riesigen Hamsterrades namens Tour de France einen Hauch von Urlaubsstimmung: Eine lockere Trainingsfahrt mit Aussicht auf Kaffee und Kuchen, etwas Massage. „Und dann landet gleich noch auch meine Freundin und kommt her“, freute sich der neue deutsche Radsport-Star.
Allerdings wird die Ruhe nicht lange vorhalten: Sechs Etappen trennen Lipowitz – Spitzname: Lipoblitz – noch von Paris, drei knüppelharte Tage in den Bergen, angefangen mit dem Mont Ventoux am heutigen Dienstag, liegen zwischen dem Tour-Debütanten und dem erträumten Doppel-Coup: Geht alles gut, steht der Gesamtdritte am Sonntag als erster Deutscher seit Andreas Klöden 2006 auf dem Podium und beendet die Tour wie Jan Ullrich vor 27 Jahren als bester Jungprofi. Er selbst möchte gar nicht so sehr an das mögliche Podium denken. „Ich selber will für mich nur von Tag für Tag schauen und mir so wenig Druck wie möglich machen.“ Er würde sich auch für seinen Teamkollegen Primoz Roglic freuen, sollte der Slowene in der französischen Hauptstadt auf das Podest klettern. „Ich würde es ihm von Herzen gönnen.“
Den gestrigen Montag nutzte Lipowitz zur aktiven Erholung. Denn: „Die nächsten Etappen habe ich mir noch gar nicht so genau angeschaut. Denn dann überwiegt schnell der Respekt die Vorfreude, und es kann ins Negative kippen. Ich will mir hier so wenig Druck wie möglich machen.“
Lipowitz vollbringt freilich schon jetzt Großtaten und sorgt für ein Tour-Fieber in Deutschland, wie es seit Ullrich nicht mehr erlebt wurde. „Das ist zwar schön zu sehen, wie begeistert die Leute sind“, sagt er, „aber das macht vielleicht auch den Druck ein bisschen größer.“
Ein anderes Thema wirft weiterhin einen dunklen Schatten auf den Radsport: Doping-Vorwürfe. Der deutsche Hoffnungsträger hat sich in der Debatte deutlich von Doping-Machenschaften distanziert. „Ich kann nur für mich selber sagen, dass ich alles regelkonform mache“, so der 24-Jährige.
„Ich kann nur sagen, dass ich sauber bin“, meinte er weiter. „Am Ende muss jeder der Fahrer für sich selber im Reinen sein.“ Von 1998 bis 2009 hatten verschiedene Doping-Skandale im Radsport für massenhaft negative Schlagzeilen gesorgt. Noch heute sind viele Ex-Profis als Mitarbeiter im Sport, die Doping in ihrer aktiven Karriere eingeräumt hatten. Es habe laut Lipowitz viele Fahrer gegeben, „die damals den falschen Weg gegangen sind. Aber ich denke, die Zeit ist vorbei und da braucht man jetzt auch nicht groß noch auf irgendjemanden schauen“, meinte Lipowitz.
Sein Sport werde „super stark kontrolliert“. Bei seiner ersten Frankreich-Rundfahrt sei er in den vergangenen zwei Wochen „vier oder fünf“ Mal kontrolliert worden. Jeden Tag müssen die Profis ihre Übernachtungen angeben und einen Zeitabschnitt, in dem sie für eine Stunde verfügbar sind. „Am liebsten könnten die mir auch einen GPS-Tracker geben“, sagte Lipowitz.
Also sauber nach Paris und dann noch auf das Podium? Davon träumen die deutschen Radsport-Fans.