Da war die Welt noch in Ordnung: Gernot Weigl (r.) 2022 mit Stargast Frank Shorter, Marathon-Olympiasieger von München 1972, und dessen Ehefrau. © gük
München – Am Sonntag saß Gernot Weigl auf seiner Terrasse und las die neue Ausgabe des Laufsportmagazins Spiridon. Mit Erfolgsmeldungen von Ausdauer-Veranstaltungen aus der ganzen Welt. Von London mit einer Million Voranmeldungen für den Marathon 2026 (die Startplätze werden im Losverfahren vergeben) bis Köln, das für Herbst 2025 mit 20000 Teilnehmern auf Rekordkurs liegt. Das Laufen erlebt derzeit einen Boom – an dem Weigl nicht mehr teilhaben darf. Der Mann, der vor 25 Jahren den München Marathon wiederbelebte, etablierte und ein Vierteljahrhundert organisierte, ist endgültig draußen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Vergabe der Rennen in München für 2025 und 26 durch das Kreisverwaltungsreferat an einen anderen Ausrichter, die Laufstatt Event gGmbH, abgesegnet. „Die Entscheidung ist unanfechtbar“, heißt es im Urteil vom 9. Juli.
„Ich muss mich sortieren. Momentan bin ich am Boden zerstört. Das Urteil ist niederschmetternd“, sagt Weigl. Jedes Jahr im Oktober einen Marathon und diverse Rahmenwettbewerbe auf die Beine zu stellen, das war der Lebensinhalt des heute 72-Jährigen. Er ist bestens in der Szene vernetzt, warb bei anderen Marathons für München, hielt auch Kontakte in die Triathlon-Szene. Er erinnert sich an die erste Austragung eines Ironman 1988 in Roth, vor zwei Wochen war er wieder vor Ort und begeistert, wie in Mittelfranken alles weiter wächst und was entstehen kann, „wenn alle an einem Strang ziehen“. In München hat er das nicht erlebt, musste sich in engen verkehrsrechtlichen Vorgaben bewegen. Das Kriterium war die „Verkehrsverträglichkeit“. Im Urteil steht nun auch, der erfolgreiche konkurrierende Bewerber würde „etwa keine Anwohner in der Maxvorstadt einschließen“.
Fast ein Jahr hat Gernot Weigl darum gekämpft, weiter der Veranstalter des München Marathon bleiben zu dürfen. Nun, wo die Entscheidung gegen ihn gefallen ist, stellen sich existenzielle Fragen: „Wir haben noch eineinhalb Jahre unser Büro zu zahlen und ein Riesen-Materiallager. Auch das Jahr 2024 muss aufgearbeitet werden. Es kommen Rechnungen, aber wir haben keine Einnahmen mehr.“ Einen Ansatz, auf Schadenersatz zu klagen, sieht Weigl nicht: „Nach zwei Gerichtsverfahren bin ich auch ausgepowert.“ Er will sich noch von seinem Team und den Vereinen verabschieden, die ihm Jahrzehnte zur Seite standen. Einige Helfer wie die LG Passau um Olympia-1972-Fackelläufer Günther Zahn hatten schon angekündigt, nicht mehr nach München zu kommen, wenn Weigl nicht der Veranstalter sei.
Die Laufstatt Event gGmbH als neuer Veranstalter sieht im Urteil des Verwaltungsgerichts „ein starkes Signal für das Vertrauen in unsere Arbeit“, so Geschäftsführer Fabian Schäfer. Bislang 13000 Anmeldungen nennt er eine „enorme Resonanz“. Den Rekord von 28000 aus dem Vorjahr wird man nach den monatelangen Querelen rund um die Vergabe aber sicher nicht erreichen. Weg ist jedenfalls das „Bronze Label“ des Verbands World Athletics, mit dem München als Marathon mit Spitzenzeiten ausgewiesen wurde. Das muss der „Marathon München“, wie die Veranstaltung nun heißt, erst beantragen. An der Teilnahme von Spitzenläuferinnen und -athleten hängt auch eine mögliche TV-Übertragung.
„Ich werde keine schmutzige Wäsche waschen und auch niemanden zum Boykott aufrufen“, sagt Gernot Weigl abschließend. Klar ist für ihn aber, dass er dem Marathon am 12. Oktober 2025 ausweichen wird. „Ich kann das nicht anschauen“, sagt er, „ich werde nicht da sein.“GÜNTER KLEIN