Spaniens Gegenentwurf

von Redaktion

Irene Paredes: Knorrige Kapitänin – und eine der wenigen EM-Mütter

Eine Institution: Irene Paredes. © Farina/IMAGO

Zürich – Es sind vergangenen Freitag an historischer Stätte in Bern ziemlich viele Menschen in Deckung gegangen. Wo in der alten Stätte bekanntlich Helmut Rahn auf matschigem Rasen ein historisches Tor für Deutschland im WM-Endspiel 1954 schoss, hat im neuen Wankdorf-Stadion nun Irene Paredes für Spanien auf dem Weg ins EM-Halbfinale ein Zeichen gesetzt. Das Viertelfinale gegen die Schweiz (2:0) verlief zeitweise ziemlich zäh, als die spanische Anführerin vehement abzog. Nicht wie Rahn aus dem Hinterhalt aufs Tor, sondern mit Absicht ins Seitenaus. Um ein Haar wären aufgeklappte Laptops auf der Pressetribüne zerborsten, aber irgendwie wirkte es wie ein Symbol für die Medienmeute: Die Weltmeisterinnen aus Spanien können auch anders.

Es zählt nicht allein die hohe Kunst von Weltfußballerinnen wie Aitana Bonmati oder Alexia Putellas. Zumindest eine kann auch dazwischen fegen. Die Lobhudelei auf das wie am Schnürchen laufende Bällchen könnte ja dazu führen, dass selbst „La Furia Roja“ denkt, damit wäre es getan. Die 34-Jährige verkörpert den Gegenentwurf: Da fährt eine auch mal Ellbogen aus, stellt den Körper rein, zieht ein Foul. Vielleicht kneift sie auch mal, aber nie würde eine der weltbesten Verteidigerinnen an den Haaren ziehen.

Wobei: Auch Paredes hat bei der EM ausgesetzt. Gleich im ersten Spiel gegen Portugal (5:0) fehlte sie, weil sie vor einem Jahr im vorletzten Qualifikationsspiel gegen die Tschechische Republik vom Platz flog. Für Nationaltrainerin Montserrat Tomé ist Paredes ansonsten ein leuchtendes Vorbild: „Irene verkörpert jeden Tag die Essenz dieses Berufs.“ Zudem tritt sie als eine der wenigen Mütter bei diesem Turnier an. „Ich bin glücklich, dass sie hier sind, um es zu sehen, um mich aufzumuntern“, sagte sie zu der Tatsache, dass ihr drei Jahre alter Sohn Mateo und ihre Ehefrau Lucía Ybarra auf der Tribüne sitzen. „Das gibt mir Kraft.“

Paredes gilt als Institution, auf und neben dem Platz. Als der Kussskandal alle Freude nach dem WM-Triumph in Sydney wieder kassierte, erhob sie mit am lautesten ihre Stimme. Vor Gericht sagte sie gegen den Ex-Präsidenten Luis Rubiales aus. Zudem hat sie dafür gekämpft, dass das spanische Team endlich professionelle Rahmenbedingungen bekommen hat. Nun soll der erste Sieg gegen den Angstgegner Deutschland folgen: „Wir wollen wirklich zeigen, was wir können.“ Zur Not auch grob sein.FRANK HELLMANN

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