Zehn-Stunden-Tag für 1860: Mang, hier mit Sportchef Christian Werner. © Sampics
Was wollen Sie Ismaik fragen, wie die Stadionfrage lösen? Gernot Mang beim Interview mit unseren Löwen-Reportern Uli Kellner und Marco Blanco Ucles. © Yannick Thedens
„Wir haben noch nichts geleistet – ein Schritt nach dem anderen“: Gernot Mang beim Besuch in unserem Verlagshaus – am 19. Tag seiner Amtszeit. © Yannick Thedens
München – 20 Tage im Amt – 20 Tage voller Chaos um den geplatzten Investoren-Deal. Wie er seinen Start ins Präsidentenamt beim TSV 1860 erlebt hat und was er in Zukunft mit den Löwen vorhat, verrät Gernot Mang (57) beim Besuch unserer Redaktion. Lesen Sie hier sein erstes großes Exklusivinterview als Vereinsoberhaupt.
Einer Ihrer Vorgänger, ein gewisser Karl-Heinz Wildmoser, jammerte gerne: „Als Löwen-Präsident hat man nullkommanull Lebensqualität.“ Würden Sie das nach fast drei Wochen im Amt unterschreiben?
Nein, bisher ist meine Lebensqualität gut geblieben – obwohl ich täglich acht bis zehn Stunden für den Verein im Einsatz bin. Aber schauen wir mal, was die nächste Zeit bringt. Wir haben schon einen Berg an Arbeit vor uns.
Ihr Start ins Amt war turbulent, die Umstände rund um den nun geplatzten Investorenwechsel werden als chaotisch wahrgenommen.
Ich wurde damals selbst von der Entwicklung überrascht. Mein Handy wäre fast aus der Hand geflogen, als die Meldung rauskam, dass die HAM-Seite verkauft hat. Dann die Mitgliederversammlung, auf der wir mit 96 Prozent der Stimmen gewählt wurden. Schließlich die Meldung, dass der Deal geplatzt ist…
Wie war das für Sie?
Es fühlte sich teilweise an wie in einem Vakuum. Wir wussten nicht: Kommt der Deal zustande? Kommt er nicht zustande? Wir wurden trotz Angebot leider in keiner Form in Gespräche involviert. Wir haben versucht, Informationen zu bekommen, aber es hieß immer: „Geheimhaltung, Geheimhaltung!“
Es kommen täglich neue Details ans Licht. Hinter dem mysteriösen Matthias Thoma soll eine Briefkastenfirma stecken…
Was soll ich dazu sagen? Man kann jetzt weiterwühlen – oder man sagt einfach Schluss! Der Blick muss nach vorne gehen, alles andere bringt 1860 nicht weiter.
Briefkastenfirma klingt weniger sympathisch als Familien-Holding.
Wenn die Gerüchte bzw. Aussagen der involvierten Personen alle stimmen, ist wohl wirklich ein Kelch an uns vorbeigegangen. Dann muss man sagen: Gott sei Dank ist es geplatzt, denn der jetzige Mitgesellschafter ist wenigstens greifbar.
Greifbar – und er kommt nächste Woche nach München. Welche Frage werden Sie Hasan Ismaik als erstes stellen?
Es gibt verschiedene Themen, die wir besprechen müssen. Zunächst einmal ist es wichtig, dass wir uns gegenseitig noch besser kennenlernen. Das ist ein Prozess, das geht nicht von heute auf morgen – auch wenn ich bereits mit ihm in Kontakt stehe. Eine wichtige Frage ist natürlich: Ist sein Verkaufswille nach wie vor da?
Falls ja, was würde das bedeuten?
Dann müssen wir einen sauberen Prozess einleiten, einen M&A-Prozess, wie das so schön heißt. Es scheint auch so zu sein, dass es ein Zweit- und Drittangebot gegeben hat. Von dem weiß ich aber auch noch nichts. Es muss jetzt auf jeden Fall alles auf den Tisch.
1860 scheint jetzt ein Preisschild zu haben: Es variiert zwischen 50 und 57 Millionen Euro für den Verkauf der Ismaik-Anteile.
Ich habe auch schon 25 und 20 gehört (lächelt). Eins ist klar: Sollte es in eine neue Verkaufsphase gehen, muss das definitiv anders ablaufen. Man darf erst an die Öffentlichkeit gehen, wenn alles wasserdicht abgeschlossen und ins Handelsregister eingetragen ist – und wenn das Geld überwiesen wurde. Anders macht es keinen Sinn.
Gab es eigentlich eine offizielle Amtsübergabe? Hat Robert Reisinger die Geschäfte formal an Sie übergeben?
Nein, das kam nicht zustande. Eine Übergabe war vom ehemaligen Präsidenten nicht gewünscht.
Und mit den anderen ehemaligen Präsidiumsmitgliedern?
Auch nicht. Ich weiß, dass das absolut unüblich ist. Man sollte die persönlichen Befindlichkeiten weglassen, schließlich geht es um den Verein. Bei vielen Sachen musste ich mich reintasten. Ich habe das Glück, dass der Verwaltungsrat sowie die Geschäftsstelle und das Management gut funktionieren. Die Zusammenarbeit ist ausgezeichnet: offen und vertrauensvoll.
Der Verwaltungsrat gilt aber als nicht unbedingt investorenfreundlich. Wie wollen Sie Ihr Amt ausüben? Es gab den Präsidenten Peter Cassalette, der Ismaik schalten und walten ließ – und zuletzt gab es Reisinger, der erst nach sieben Jahren den persönlichen Austausch suchte.
Wir müssen überlegen, was wir wollen. Wenn wir ehrlich sind: Wir wollen alle raus aus der 3. Liga, und zwar so rasch es geht. Dazu kommt das NLZ, die Investitionen, damit der Rasen wieder erstklassig wird, da haben wir einen Investitionsstau. Das sind Themen, die müssen wir ansprechen. Und das geht nur mit dem Mitgesellschafter. Genauso wie die Stadionfrage.
Gutes Stichwort: Woher rührt eigentlich Ihr Optimismus, an der Begrenzung auf 18 100 Zuschauer im Grünwalder Stadion rütteln zu können?
Aus den Gesprächen, die ich derzeit mit der Stadt führe. Diese sind sehr offen und sehr vertrauensvoll. Durch die Olympia-Bewerbung hat sich etwas verschoben – Stichwort Sportfördertopf, die Sportmilliarde. Wir müssen schauen, dass wir schnellstmöglich eine Lösung finden. 18.000 Zuschauer – die sehe ich einfach nicht bei unserem Verein.
Der Drittligastart rückt näher. Haben Sie die Befürchtung, dass die politischen Unruhen die sportliche Euphorie überlagern?
Nein, die Euphorie ist weiter riesig. Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich an die Gespräche mit den Leuten denke, an das Funkeln in ihren Augen. Beim Fanfest waren 5000 Leute. Dort war die Gesellschafterproblematik kaum Thema. Und auch das Team verhält sich großartig, ist fan-nah.
Haben Sie sich schon das neue Trikot gekauft?
Ich besitze beide Trikots bereits, das Heim- sowie das Auswärtstrikot. Ich gehe gerne im Trikot an der Isar laufen, bin stolz es zu tragen.
Werden Sie beim Laufen schon erkannt?
Ein paarmal hat man mir schon zugerufen, ja. Ich höre dabei aber Musik, bin in meiner eigenen Welt. Ich hoffe, dass ich nicht arrogant rüberkomme, wenn ich die Menschen manchmal einfach nicht höre.
Thema Einigkeit im Club: Müssen Sie in der e.V.-Spitze zusammen mit dem Mitgesellschafter nicht genau vorleben, anders als in der Vergangenheit?
Ja natürlich, interne Diskussionen gehören nicht an die Öffentlichkeit. Wir müssen auch endlich mit den ständigen Posts in den Sozialen Netzwerken aufhören. Jeder muss den anderen dabei übertreffen. Das ist fast Kindergarten-Niveau und muss aufhören – und zwar von beiden Seiten! Anders funktioniert es nicht.
Am Montag ist Karl-Christian Bay aus dem Aufsichtsrat zurückgetreten. Werden Sie sein Nachfolger?
Das werden wir sehen, aber ich habe es vor. Die wegweisende Entscheidung hierzu trifft die Hauptversammlung.
Ihr Vorgänger konnte nach einem Jahr im Amt den Drittliga-Aufstieg feiern. Können Sie das 2026 mit dem Zweitliga-Aufstieg toppen?
Ich bin immer optimistisch, freue mich riesig auf die Saison und habe ein gutes Gefühl. Aber den Aufstieg garantieren kann ich nicht. Der Start hat es in sich, danach wissen wir genau, wo wir stehen.
Welche Schlagzeile möchten Sie nach Ihrer Amtszeit gerne lesen?
Lassen Sie uns zuerst arbeiten – dann reden wir weiter. Wir haben noch nichts geleistet. Ein Schritt nach dem anderen.
INTERVIEW: ULI KELLNER UND MARCO BLANCO UCLES