ZUM TAGE

Können Mädchen kein Elfer schießen?

von Redaktion

Auffälligkeit bei der Frauen-EM

„Mädchen können kein Fußball spielen“, so heißt eine Dokumentation, die die ARD gedreht hat und in der es um die frühen Vorbehalte und gar Verbote geht. Mittlerweile ist das ja hinreichend widerlegt, dass Frauen nicht kicken können, die EM in der Schweiz hat abermals gezeigt, dass sie (auch Männer) begeistern können. Doch einen wunden Punkt gibt es, selbst im Finale zwischen den Welt- und den Europameisterinnen aus Spanien und England, also wirklich auf dem höchsten Niveau, traten die Schwächen vom Punkt deutlich zutage. Übers gesamte Turnier wurden 23 von 50 Elfmetern nicht verwandelt. Ein Film dazu müsste den Titel „Mädchen können kein Elfer schießen“ tragen.

Man könnte es natürlich dadurch erklären, dass die Torhüterinnen besser geworden sind. Das stimmt auch. Keine Keeperin erweckte den Eindruck, mit den Maßen des Tores überfordert zu sein, absurd anmutende Fehler wie aus C-Jugend-Spielen, wo man noch nicht bis an die Latte kommt, gab es nicht. Auf dieser Position hat sich der Frauenfußball am sichtbarsten weiterentwickelt. Doch in den Elfmetersituationen wurde es den Torhüterinnen bei dieser EM auch leicht gemacht. Denn viele Schüsse kamen so, wie sie nicht kommen sollten: halbmittig, halbhoch.

Die Physik hat längst eruiert, wie aus elf Metern geschossen werden muss. Am besten hart (mit 90 km/h Minimum) und flach neben den Pfosten oder hoch in den Winkel. Da wird es auch für männliche Gardemaß-Torhüter mit 1,90 Meter plus unter Berücksichtigung von Reaktionszeit und dem Gesetzen, nach denen Muskelkraft Masse bewegt, schwer, noch ranzukommen. Wer sich Elfmeterschießen aus Champions League oder von großen Turnieren der vergangenen Jahre vor Augen führt, wird feststellen, dass die Stars der Männer den Schuss in nahezu klinischer Perfektion beherrschen. Wer sich ein paar Jahre zurückerinnert, wird noch weitaus mehr Aussetzer als heute finden.

Elfmeterschießen ist eigentlich noch eine junge Disziplin, den ersten Showdown gab es im EM-Finale von 1976, in dem auf der einen Seite (CSSR) der freche Panenka erfunden wurde und auf der anderen (Deutschland) Uli Hoeneß den Ball in den Nachthimmel von Belgrad jagte. Richtig trainiert wurde Elfmeterschießen über Jahrzehnte nicht, das änderte sich mit der Verwissenschaftlichung des Fußballs. Pep Lijnders, der in Liverpool Co-Trainer von Jürgen Klopp war, erzählte in seinem Inside-Buch davon, wie es zum beständigen Inhalt wurde. Begleitet von einer Analyse-Firma mit wöchentlichen Reports. Nicht nur Liverpool wird einen solchen Aufwand betreiben.

Frauen fordern vor allem „Equal Play“, also die gleichen Rahmenbedingungen, die gleiche Infrastruktur. Ihr Fußball wird sich darin weiterentwickeln, und in ein paar Jahren werden Mädchen Elfer schießen können, nicht viel schlechter als die Jungs. Guenter.Klein@ovb.net

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