Das Herz der Löwin ist verstummt

von Redaktion

Laura Dahlmeier war ein Kind der Berge – vom Anfang bis zum Ende

Stefan Schwarzbach und Dahlmeier 2017. © Imago

Freundinnen: Dahlmeier und Lena Neuner (re.). © Imago

München/Garmisch – Die Laura? Was? Nein, das gibt es doch nicht!

Die erste Reaktion zum Tod von Laura Dahlmeier war in den vergangenen Stunden meist ähnlich. Niemand aus ihrem Umfeld wollte und konnte sich vorstellen, dass die so lebensfrohe und sympathische Garmisch-Partenkirchenerin in Pakistan tatsächlich tödlich verunglückt ist. Zu gut, zu präzise, zu sicher bewegte sich Dahlmeier in einem Terrain, das für einen Großteil der Menschheit nur schwer zu fassen und noch viel weniger zu begehen ist.

Doch dem Steinschlag, der durch die Klimaerwärmung immer mehr zum Problem wird, entkam auch die 31-Jährige nicht. Selbst Stunden und Tage nach dem Absturz auf 5600 Metern am Laila Peak war die Gefahr noch so groß, dass nicht daran zu denken war, näher an die Unfallstelle zu gelangen.

Und dennoch: Auch Magdalena Neuner hoffte bis zuletzt, dass man ihre Freundin noch retten könne. „Sie war ein großes Vorbild in der Hinsicht, dass sie ihr Leben gelebt hat und sich überhaupt nicht von anderen Leuten beeinflussen ließ“, so Neuner.

Die Wege der beiden kreuzten sich früh – in Kaltenbrunn bei Talentschmied Bernhard Kröll, der zuvor schon Martina Beck an die Weltspitze herangeführt hatte. „Laura und ich haben eine lange Geschichte zusammen, wir haben ja schon als Kinder zusammen trainiert“, erzählt Neuner. Und noch etwas haben die Biathlon-Olympiasiegerinnen nebst ihren vielen sportlichen Erfolgen gemein. Beide traten mit 25 Jahren schon früh zurück.

Während Neuner eine Familie gründete und mit Ehemann Josef mittlerweile drei Kinder hat, stürzte sich Dahlmeier in die Berge. „Sie hat ihr Leben gelebt und sich überhaupt nicht von anderen Leuten beeinflussen lassen“, so Neuner. Auch schon zu aktiven Zeiten.

Beim Deutschen Skiverband war man anfangs natürlich nicht superglücklich, dass sich ihr hoffnungsvollstes Biathlon-Talent steilste Hänge hinaufkletterte. Aber auch die Trainer und Betreuer merkten schnell, dass es eine Laura ohne Berge nicht geben wird. Unsere Zeitung traf Dahlmeier immer wieder, auch zu Beginn ihrer Karriere. Die Olympischen Spiele 2014 in Sotschi waren aus deutscher Sicht völlig verkorkst, einzig die junge Garmischerin stach positiv hervor.

Danach folgte der Absturz – nicht sportlich, aber auf einer Mehrseillängentour mit Freunden im Zugspitzmassiv. Eine Felsschuppe, der als Griff dienen sollte, brach aus und Dahlmeier segelte ein paar Meter durch die Luft, prallte gegen die Wand und kam mit einer Knöchelfraktur noch „glimpflich“ davon. Offiziell gäbe es keine Vorschriften, so Dahlmeier damals, aber zwischen „den Zeilen hört man schon, dass es nicht so erwünscht ist“. Dementsprechend versuche ich, das Risiko so gering wie möglich zu halten. „Ein gewisses Restrisiko bleibt immer.“ Mit dabei auf der verhängnisvollen Tour: Andreas Dahlmeier: „Sie ist mir vor die Füße gefallen. Das war schon ein großer Schock“, erzählte der Vater in einer ZDF-Dokumentation.

In dieser Zeit aus Verbandssicht viel für sie „verantwortlich“ war Stefan Schwarzbach, damals Pressesprecher, heute beim Geschäftsführer beim DSV. Auch ihn traf die traurige Nachricht hart. „Wie oft haben wir gemeinsam gejubelt, mitgefiebert, gezittert“, schreibt Schwarzbach auf Instagram. „Und jetzt bleibt dieser unfassbar schwere Gedanke zurück: dass dein Weg so plötzlich und viel zu früh zu Ende gegangen ist.“

Schwarzbach war es auch, der seinen Schützling durch die wohl schwierigste Prüfung ihrer Karriere manövrieren musste. Langlaufen konnte Dahlmeier elegant und fast intuitiv. Die Zielscheiben traf sie mit der Sicherheit eines Sportschützen. Aber das immer größer werdende Interesse an ihrer Person machte ihr zu schaffen. Mutter Susi beschrieb Dahlmeiers Verhältnis zur Öffentlichkeit in einer ZDF-Dokumentation wie folgt: „Die Laura läuft wie ein Löwe hinter den Gitterstäben. Und wenn sie mal stehen bleibt, stürzen sich die Fans auf sie.“

Erst nach ihrem Abschied von der Biathlon-Bühne entspannte sich die Situation wieder. Dahlmeier wurde sogar TV-Expertin. An ein Comeback dachte sie trotz ihres noch jungen Alters aber nie, sie hatte schließlich ihr Glück in den Bergen gefunden.MATHIAS MÜLLER

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