„Ich bin in meiner Prime Time“

von Redaktion

Löwen-Leader Verlaat über das neue Team, die Dreierkette und Mamas Rat

„Bald weiß-blaue Clogs“: Kapitän Jesper Verlaat (29), seit 2022 bei 1860. © Sampics

München – Kapitän, Abwehrchef, Werbefigur – kein anderer Spieler verkörperte den TSV 1860 in den letzten Jahren so sehr wie Jesper Verlaat. Der 29-Jährige will in seiner vierten Saison mit den Löwen angreifen – und nahm sich vor dem heutigen Saisonstart in Essen (19 Uhr) Zeit für ein Interview:

Nur ein Gegentor in der Vorbereitung trotz zahlreicher Neuzugänge und einem Systemwechsel. Kann sich sehen lassen…

Das eine Gegentor gegen Liberec war auf alle Fälle vermeidbar, da ist uns ein Abstimmungsfehler unterlaufen. Aber wir haben das System sehr gut adaptiert, die meisten Abläufe passen. Wir können mit der Vorbereitung zufrieden sein.

Sie gehen in Ihr viertes Jahr bei 1860. War die Qualität im Team jemals so groß?

Schaut man sich die Namen an, ist das natürlich enorm qualitativ. Jede Position ist mindestens doppelt besetzt – und zwar richtig gut. Das bringt einem allerdings in der 3. Liga wenig. Aber die Einstellung ist super, es wird bei uns im Training auch mal lauter.

War die Vorbereitung so hart wie von Geschäftsführer Christian Werner gefordert?

Oh ja (lacht). Das war die anstrengendste Vorbereitung, die ich bisher bei 1860 hatte. Aber dennoch haben es alle gut überstanden, was für Trainingssteuerung und medizinische Abteilung spricht.

Werden Sie als Kapitän von den erfahrenen Neuzugängen entlastet?

Ich finde es gut, wenn die Verantwortung verteilt wird, auf und neben dem Platz. Jeder denkt aktuell mit in der Gruppe. Das tut gut. Wenn wir Volland und Niederlechner hernehmen: Die gehen mit einer super Einstellung in jedes Training, das färbt auf die anderen Spieler ab.

Hat sich der Kapitän Jesper Verlaat über die letzten Jahre verändert?

Ich bin erfahrener geworden, das zeigt sich in Kleinigkeiten. Man verändert sich auch im Leben, lässt Dinge nicht mehr zu nah an sich herankommen. Ich muss mich als Kapitän nicht aufspielen, sondern bleibe so wie ich bin.

Unter Köllner waren Sie nach fünf Spieltagen gefühlt schon auf-, letzte Saison zu Beginn gefühlt schon abgestiegen. Helfen diese Extremerfahrungen für die Zukunft?

Klar ist es leichter, wenn man schon vieles hier erlebt hat. Man kann so leichter die Vogelperspektive einnehmen und Themen nicht zu emotional sehen. Die Dinge sind selten komplett rosa oder schwarz. Man darf sich nicht zu sehr von Emotionen leiten lassen, muss eine emotionale Konstanz hineinbekommen.

Haben Sie bei 1860 Ihr mediales Konsumverhalten geändert?

Am Anfang will man alles wissen: Neuer Verein, neues Umfeld. Aber nach einem halben Jahr habe ich aufgehört, alles zu lesen. Die großen Überschriften kriegt man mit.

Für positive Schlagzeilen sorgt das neue System, das 3-5-2 scheint zu passen. Warum?

Gute Frage. Man kann nicht in jeden Kopf reingucken, aber für mich auf der letzten Linie fühlt es sich gut an. Jeder denkt mit. Und wenn du dieses Gefühl von Sicherheit und Orientierung hast, dann greift ein Rädchen ins andere. Hilfreich war auch, wie wir uns an das System rangetastet haben. Erst mal gegen unterklassige Gegner – mit viel Ballbesitz.

Die Dreierkette birgt auch Risiken. In Essen wird mit Safi und Martinovic extremes Tempo auf die neue Abwehr zukommen…

Die Restverteidigung muss stehen. In Regensburg haben wir noch ein, zwei Konter gekriegt. In Essen müssen wir wacher sein, damit wir nicht in gefährliche Umschaltmomente reinlaufen. Es wird darum gehen, maximal wach zu sein, aber hey: Freitagabend, Hafenstraße, Flutlicht und 2500 Löwen-Fans – überragend.

Nach der Saison werden Sie 30 Jahre alt…

(lacht gequält) Echt jetzt? Hört auf!

Bei Ihrer letzten Vertragsverlängerung hat Ihre Mutter Cassandra 1860 mit einem Paar schönen Schuhen vergleichen und meinte, die wechselt man nicht, wenn sie bequem sind. Was spricht dagegen, diese Schuhe bis zum Karriere-Ende anzubehalten?

Soweit habe ich noch nicht gedacht! Noch wähne ich mich in der Prime Time. Ich fühle mich bei 1860 wohl. Mama hat Recht: Wenn die Schuhe gut passen, muss man nicht wechseln. In Holland tragen wir Clogs – meine gehen in Richtung Weiß-Blau.

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