„Ein richtiger Wow-Effekt!“

von Redaktion

Leonie Beck über deutschen Schwimm-Aufschwung und die Superstars

„Er ist mental so stark“: Weltrekordler Lukas Märtens liefert auch bei der Weltmeisterschaft ab. © Yifang/Imago

Legende Katie Ledecky (r.) und die 18-jährige Summer McIntosh dominieren im Becken. © Sukumar/Imago

„Ich war kurz sprachlos“: Die Gold-Medaille von Anna Elendt ließ auch Leonie Beck staunen. © Staccioli/Imago

Leonie Beck, dreifache Weltmeisterin im Freiwasser, wechselt dieses Jahr die Perspektive. Nach einer Hospitanz beim Frühstücksfernsehn begleitet die 28-Jährige die Schwimm-Weltmeisterschaft nun als Expertin beim ZDF. Und spricht mit unserer Zeitung über die neue Rolle, den deutschen Aufschwung mit vielen Medaillen und die großen Superstars um Leon Marchand und Katie Ledecky.

Leonie Beck, die Schwimm-Weltmeisterschaft begleiten Sie als Expertin beim ZDF. Wie fühlt sich die neue Rolle an?

Das macht mir extrem Spaß. Ich war gespannt, wie das ablaufen wird. Aber direkt am ersten Tag habe ich so viel positives Feedback bekommen, das war erleichternd. Ich bin so nah am Sport dran und bin natürlich auch aufgeregt während des Kommentierens. Ich fiebere mit den Sportlern mit. Singapur wären genau meine Bedingungen gewesen mit dem warmen Wasser (lacht). Aber ich brauche die Pause einfach. Bei den Europacups habe ich moderiert und die Sportler interviewt. Ich bin also auch bei den Wettkämpfen. Aber mal ohne diesen Leistungsdruck, ohne, dass alles perfekt sein muss, einfach mit viel Freude.

Aus deutscher Sicht verläuft die Weltmeisterschaft erfolgreich. Den Grundstein hat Florian Wellbrock mit vier Goldmedaillen gelegt.

Das ist absolute Weltspitze. Nach den Olympischen Spielen, mit den schwierigen Rennen, die wir hatten, ist es nicht einfach, so ein Comeback hinzulegen. Da müssen Kopf und Körper perfekt funktionieren. Über alle Distanzen so viele Kilometer abzuspulen und alles abzuräumen, ist eine unfassbare Energieleistung. Florian ist sehr dominant aufgetreten, die Zweifel hat er alle weggeschwommen.

Im Becken hat Anna Elendt Gold gewonnen. Dabei hatte sie nach Paris schon überlegt, alles hinzuschmeißen.

Ich weiß genau, wie diese Situation ist. Wenn du dir diese Gedanken machst, das habe ich auch alles schon durchlebt. Ich habe vor dem Wettkampf lange mit der Anna telefoniert, wir haben uns auch ein bisschen verquatscht (lacht). Beim Kommentar wusste ich nicht, was ich anderes sagen soll, außer: Oh, mein Gott! Ich war auch kurz sprachlos. Das war ein richtiger Wow-Effekt. Ich hatte kurz im Kopf: Darf ich jetzt hier schreien? Aber das war mir dann vollkommen egal (lacht). Ich habe alle Emotionen rausgelassen. Es ist ja auch nicht so, dass niemand am Start war. Es war eine super schnelle Zeit und der Wahnsinn, dass ich das Rennen kommentieren durfte.

Auch Lukas Märtens hat abgeliefert und ist der Favoritenrolle als Weltrekordler wieder gerecht geworden.

Nach einem Olympiasieg hast du erst mal viel Aufmerksamkeit. Damit musst du klarkommen. Und Lukas ist ja auch noch Weltrekord geschwommen. Da steigen die Erwartungen, alle denken: Jetzt MUSS er auch die WM gewinnen. Im Jahr nach Olympia ist es noch mal schwieriger, die Leistung zu bestätigen. Lukas ist das sehr eindrucksvoll gelungen. Wenn es drauf ankommt, liefert er immer ab. Lukas ist in seinen jungen Jahren mental schon so stark. Das macht einfach Spaß, ihm zuzuschauen. Es ist immer einfacher zu jagen, als gejagt zu werden. Wenn du oben stehst, will dich jeder vom Thron schubsen. Aber er scheint sich da ganz wohl zu fühlen und schwimmt eine starke Zeit nach der anderen.

Schon bei den Olympischen Spielen hatte man das Gefühl: Im deutschen Schwimmsport geht es endlich wieder nach oben.

Der Aufschwung ist definitiv da. Darauf hoffe ich schon seit vielen Jahren. Allgemein schwimmen in Deutschland schon viele Leute. Deutschland ist irgendwo eine Schwimmnation. Aber so richtig wird nicht darüber gesprochen. Es ist ein super Sport, mit dem man das Herz gut trainieren kann, gelenkschonend. Und das deutsche Team macht richtig Werbung für den Sport. Es gibt wieder viele Athleten, an denen man sich ein Vorbild nehmen kann. Die mit ihrer Leistung und Einstellung überragen, faszinieren. Sowas brauchen wir in Deutschland. Ich würde mir wünschen, wenn Schwimmen wieder eine größere Rolle spielt.

Auch international bietet das Schwimmen Superstars auf. Katie Ledecky, Leon Marchand, Summer McIntosh …

Das sind noch mal ganz andere Level. Eigentlich eine eigene Welt. Es ist wahnsinnig beeindruckend, wie die schwimmen. Das sind Leute, die man beobachtet, wenn man selbst schon in der Weltspitze ist. Da will man sich beim Aufwärmen schon was abschauen (lacht). Eine Katie Ledecky ist seit Jahren an der Weltspitze und da unantastbar. Sie ist bei den Frauen die Größte aller Zeiten und bleibt immer bodenständig. Eine Summer McIntosh liefert in jungen Jahren schon unfassbar ab. Sie hat schon alles erreicht und trotzdem noch Hunger auf mehr. Über die 200 m Schmetterling hat sie sich furchtbar geärgert, dass sie den Weltrekord um ein paar Hundertstel verpasst hat. Dabei hat sie Gold gewonnen. Diese Athleten sind super Werbetafeln für unseren Sport. Nach einem Michael Phelps hast du lange gedacht, dass so ein großer Name nicht mehr kommt. Dann kam erst Katie Ledecky, jetzt Leon Marchand und Summer McIntosh. Das sind wirklich Jahrhundert-Sportler. Marchand hat schon in Paris alle in den Bann gezogen und macht jetzt weiter mit der Weltrekord-Show.

NICO-MARIUS SCHMITZ

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