Auf Anhieb viel Action: Von Schongang war beim Saisonauftakt an der Hafenstraße nichts zu sehen. © IMAGO
Auftakt gerettet: Danhof und der eingewechselte Philipp tätscheln 1:1-Schütze Niederlechner. © IMAGO / RevierFoto
Essen – Die ersten beiden Spiele gehören noch zur Vorbereitung. Einer der legendären Sätze von Werner Lorant, der an Ostern viel zu früh verstarb. Legende Lorant, als Profi für Essen aktiv und als Trainer bei 1860 gefeiert – er hätte sich am Freitagabend bestätigt gefühlt. Was 47:1 Tore in neun lockeren Sommerkicks wert sind, hat man beim Drittligastart an der Hafenstraße besichtigen können, nämlich nichts. Der prominent verstärkte Vorbereitungsmeister aus München-Giesing geriet bereits nach sechs Minuten in Führung, hatte sichtlich daran zu knabbern und konnte sich glücklich schätzen, dass Florian Niederlechner Mitte der zweiten Halbzeit ganz viel Gefühl in einen Lupfer legte. 1:1 hieß es nach intensiven 90+7 Minuten. Beide Teams können damit leben, die Löwen nach ihrem Stotterstart in den Pflichtspielbetrieb vielleicht noch einen Tick besser,
Eine unliebsame Erfahrung war für viele Fans bereits die Anreise zum Spiel. Zugausfälle und Umleitungen infolge eines Vandalismusschadens. Zum Anpfiff im Hexenkessel an der Hafenstraße war der Auswärtsblock trotzdem voll. Geschätzt 2500 Anhänger wurden der Gastmannschaft aus München zugerechnet – entsprechend groß war die Erwartungshaltung im weiß-blauen Gepäck.
Eine kalte Dusche – nach einem monsunartigen Starkregen vor dem Anpfiff – gab es aus 1860-Sicht beim ersten ernsthaften Angriff der Gastgeber. Nach einem weiten Einwurf konnte Hiller-Erbe Dähne den Ball nur abklatschen, auf Umwegen gelangte die Kugel erneut in die Mitte, von Pfeifer leicht abgefälscht. RWE-Recke Rios Alonso hatte am vorderen Pfosten gelauert und drückte den Ball zum 1:0 über die Linie.
Nicht nur in dieser Szene zeigte sich, dass die neue Dreierkette der Glöckner-Elf noch nicht mit den Härten des Wettbewerbs vertraut ist. Überhaupt die Gäste: Sie taten sich schwer gegen den überfallartigen Essener Umschaltfußball. Nach einem weiten Pass von Mizuta hatte Safi freie Schussbahn, an Verlaat und Dähne war er bereits vorbei, doch ein Luftloch, in das der RWE-Pfeil trat, verhinderte Schlimmeres. Verlaat, der in dieser Szene schlecht aussah, hatte dann die erste Großchance für 1860 auf dem Kopf bzw. der Schulter, doch Golz-Ersatz Wienand rettete Essen die Führung.
Von den hochgelobten Neuzugängen der Löwen war in der ersten Halbzeit noch wenig zu sehen, insbesondere vom Star-Doppelpack Volland/Niederlechner. „Sie müssen viel mehr in Szene gesetzt werden“, urteilte Sascha Mölders im Pausentalk, auch der Ex-Stürmer ist ja eine RWE- und 1860-Legende. Kleiner Mutmacher der Wampe von Giesing bei seiner Knallhart-Analyse: „Ich glaube, dass 1860 noch viel Freude an den beiden haben wird.“
Das war ein geradezu prophetisches Urteil, denn zunächst sorgte Volland für frisches Adrenalin, indem er energisch Richtung Strafraum drängte und dort vom gelbverwarnten Kraulich abgeräumt wurde. Die Rote Karte, die der 1860-Anhang forderte, blieb aber in der Gesäßtasche von Felix Weller stecken (51.). Eine Viertelstunde später dann der große Auftritt von Niederlechner. Weiter Pass von Dulic, Essen reklamierte Abseits, doch der Neuzugang von Hertha BSC blieb cool – und lupfte die Kugel über Wienand hinweg ins Netz. Niederlechners Reaktion: Kuntz-Säge, ein Streichler über das Löwen-Logo auf seiner Brust. Und von Kumpel Volland gab‘s dafür sogar noch einen flüchtigen Knutscher.
Das Spiel blieb intensiv, doch die ganz großen Chancen ergaben sich nicht mehr, auf keiner Seite. Sieben Minuten Nachspielzeit waren ein kleiner Schock für die mitgereisten 1860-Fans. Nicht wegen eines abfahrbereiten ICE, sondern weil dieses 1:1 nicht mehr in Gefahr geraten sollte. Bezeichnend: Siemen Voet feierte eine späte Abwehraktion wie einen Torerfolg. Dann war‘s vorbei. 1:1 zum Start. Als kleiner Dämpfer vielleicht gar nicht so schlecht, denn auch die neuen Filigran-Löwen werden in dieser 3. Liga um jeden Punkt kämpfen müssen.ULI KELLNER