Mein neues Leben auf der Matte

von Redaktion

Ex-Bayernstar Christian Lell über seinen Yoga-Neuanfang

Lell teilt seinen (körperlichen) Wandel auch öffentlich.

Der Ex-Profi zusammen mit Reporter Tschirpke (li.) und seinem Yoga-Lehrer Dr. Steiner (Mi.).

Fit und in der geistigen Mitte angekommen: Der ehemalige Bayernprofi Christian Lell bei seinen Yoga-Übungen im Studio in Ulm. © Privat (2), Instagram

Ulm – Die Höhen und Tiefen zogen sich durch das Leben von Christian Lell: Das Eigengewächs des FC Bayern feierte große Erfolge, holte das Double 2008 und 2010 und spielte danach in Berlin und Spanien. Nach der Karriere, im zweiten Lebensabschnitt, folgten private Einschläge wie große unternehmerische Probleme. Anfang des Jahres verkaufte Lell seine Immobilienholding, um eine Insolvenz abzuwenden. Für seinen dritten Lebensabschnitt will der 40-Jährige auf Extreme verzichten und im wahrsten Sinne des Wortes eine (innere) Mitte finden. Unsere Zeitung traf ihn dazu zum Interview auf der Yoga-Matte.

Christian, wir treffen Sie im Yoga-Studio, kein gewöhnlicher Ort für ein Interview mit Ex-Fußballern.

Das hat einen einfachen Grund: Ich möchte mehr Bewusstsein für Yoga schaffen. Seit drei Wochen lerne ich im AYI Yoga Institute in Ulm. Mein Trainer Dr. Ronald Steiner hilft mir hier, ein ganz neues Bewusstsein zu entwickeln.

Worum geht es dabei?

Im Wesentlichen darum, den Körper, Geist und die Seele in Balance zu halten. Yoga gibt mir eine Konstante und hilft mir, im Hier und Jetzt zu bleiben. Als Leistungssportler und Unternehmer war ich es gewohnt, nur um Erfolge kämpfen zu müssen. Da ging es nur um Durchsetzungsfähigkeit und Stärke. Jetzt habe ich gelernt, auch auf andere Dinge zu achten.

Man merkt Lell an, wie sehr ihn Yoga begeistert: Sobald er über sein neues Leben spricht, leuchten seine Augen – die Begeisterung für Yoga scheint nicht gespielt. Wenn es ins Fachliche geht, muss oft sein Lehrer Dr. Steiner die Sätze beenden. Lell bekräftigt dessen Ausführungen über die Vorteile des Yogas mit einem tiefen „Jaaa, jaaa!“.

Welche?

Yoga hilft mir, mit Druck umzugehen. Schon vor meinem allersten Karrierespiel für den FC Bayern habe ich am Vorabend meditiert. Damals war ich so aufgeregt, dass ich etwas brauchte, um mich runterzuholen. Nun, knapp 20 Jahre später, habe ich zu dieser Seite von mir zurückgefunden. Ich möchte eine neue Achtsamkeit schaffen, für sich selbst und meine Mitmenschen. Das ist der Fokus für meinen neuen Lebensabschnitt.

Wie sieht dieser aus?

Ich verbringe aktuell den Winter in Thailand und den Sommer rund ums Mittelmeer. Schon seit längerer Zeit interessiere ich mich für Meditation, buddhistische Lebensweisen und Yoga. Die Selbstpraxis beginnt schon um 5.45 Uhr, es braucht also auch eine ordentliche Portion Willen und Disziplin. Ich merke allerdings, wie sehr mir die geistige Ruhe hilft, um mit allen Herausforderungen des Lebens umzugehen. Das war für mich auch im letzten Jahr wichtig.

2024 kam es wegen offener Zahlungen Ihrer früheren Baufirma zu einem Rechtsverfahren gegen Sie.

Ja, es gab damals ein zivilrechtliches Verfahren im Zusammenhang mit meiner früheren Baufirma – das Thema ist mittlerweile vollständig bereinigt. Die Firma wurde verkauft, alle offenen Punkte sind geklärt. Rückblickend war das eine herausfordernde Zeit, die mir aber auch viel über Verantwortung und Gelassenheit beigebracht hat.

Wieso?

Wir standen als Generalunternehmen oft zwischen den Fronten: Auf der einen Seite Kunden, die aufgrund kleinerer Mängel Zahlungen einbehielten, auf der anderen Seite Gewerke, die auf ihre Leistungen bestanden. Wir als Firma waren dabei oft nur die vermittelnde Instanz, während sich die Interessen der Parteien letztlich über uns entluden. Was mir half, war der innere Wandel, den ich durch Yoga erfahren habe. Wenn es im Außen turbulent wird, ist es essenziell, innerlich ruhig zu bleiben – einen klaren Geist zu bewahren. Yoga braucht nichts außer dich selbst und eine Matte. Diese Praxis hat mir nicht nur Stabilität gegeben, sondern auch gezeigt, wie viele Männer noch lernen dürfen, aus alten Rollenbildern auszubrechen und wirklich bei sich anzukommen. Dafür gehe ich heute los.

Lell ist bemüht, den Fokus schnell von den Problemen der Vergangenheit auf die Zukunft zu lenken. Den Einwand, kein Interview ohne Thematisierung dieses Lebensabschnitts machen zu können, versteht er. Inzwischen sind diese Probleme bereinigt. Allerdings soll hier auch kein falscher Eindruck entstehen: Juristische Konflikte lassen sich nicht allein auf der Yoga-Matte bewältigen.

Nun könnte man allerdings argumentieren: Bei manchen Problemen ist es besser, sie direkt zu lösen, anstatt nur sich selbst zu beruhigen.

Das stimmt. Ich sage auch nicht, dass man durchs Yoga einfach nur entspannter wird. Doch die Klarheit hilft, neue Lösungen zu finden. Dadurch kam ich zu dem Schluss, die Firma zu verkaufen. Und auch bei vorherigen Skandalen, die durch meine Impulsivität entstanden sind, hätte mir Yoga geholfen. Und viele Krankheiten oder psychische Probleme können durch Yoga zumindest reduziert werden.

Trotzdem darf es keine medizinische oder psychotherapeutische Behandlung ersetzen.

Das fordern ich und mein Lehrer Ronald Steiner auch nicht. Wir wollen einfach dafür sorgen, dass mehr Menschen auf sich achten und ein Ventil haben, mit Druck oder Problemen in ihrem Leben umzugehen.

Wie soll es für Sie weitergehen?

Ich plane, als Coach aufzutreten, um für eine achtsamere Lebensweise zu werben. Dabei helfen mir die aktuellen Erfahrungen enorm.

INTERVIEW: V. TSCHIRPKE

Artikel 10 von 11