ZUM TAGE

Wie Du mir, so ich Dir

von Redaktion

Barca und ter Stegen im Clinch

Wenn man sich mal ein paar Monate zurückversetzt, muss man schon sagen: Auch der Fall Thomas Müller hat in München große Wellen geschlagen. Der verdienteste Spieler des Vereins, ein Leben lang im roten Trikot, Identifikationsfigur auf und neben dem Platz – kann man so jemandem einfach keinen Vertrag mehr geben, obwohl er gerne einen haben würde? Die Stammtische debattierten, die Bayern-Bosse räumten Kommunikations-Fehler ein, Müller schluckte. Am Ende, also eine große, lange und ausufernde Abschiedstournee später, sind alle halbwegs gesichtswahrend aus der Sache herausgekommen. Aber man merkt schon: Die Sache mit scheidenden Legenden ist keine einfache.

In Barcelona machen sie gerade eine Erfahrung, die auf den ersten Blick – ein Spieler wurde sportlich von anderen, deutlich jüngeren überholt – ähnlich wirkt. Und trotzdem ist die Personalie Marc-Andre ter Stegen komplett anders zu bewerten als der am Ende doch „smoothe“ Abgang von Müller (der übrigens ein so enger Freund des Hauses ist, dass er am Dienstag mit den Ex-Kollegen an der Säbener Straße trainierte). Ter Stegen ist 33, nicht 35; er ist Torhüter, nicht Feldspieler; zudem nicht Nationalteam-Rentner, sondern die Nummer eins im Team eines selbsterklärten WM-Titel-Anwärters. Dass der FC Barcelona trotzdem alles tut, um den deutschen Keeper loszuwerden – und am Dienstag die nächste Eskalationsstufe gezündet wurde –, zeigt, dass Dankbarkeit und Menschlichkeit in diesem Business nur noch an wenigen Orten eine Rolle spielen.

Bisher hat man sich nur hinter den Kulissen bekriegt, jetzt, wo Barca ter Stegen mit einem Disziplinarverfahren dazu bringen möchte, Krankenakten an die spanische Liga zu schicken, wird es wirklich dreckig. Zudem beweist der Schritt, den die Bosse laut „Mundo Deportivo“ gehen, wie wenig Einzelschicksale im Kosmos dieses hoch verschuldeten Weltclubs zählen. Dass ter Stegen 19 Titel mit dem Verein geholt hat, nach wie vor Kapitän ist und stets loyal war? Geschenkt! Von der Vergangenheit kann man sich ja nichts mehr kaufen.

Alles, was aus Spanien zu hören ist, wirkt wie ein Krieg im Kindergarten. Auch ter Stegen, der mit der Herausgabe der Dokumente im besten Fall für Geldfluss seitens des Verbandes sorgen könnte, agiert nun unter dem Leitsatz „Wie du mir, so ich dir“. Für ihn allerdings hat man inzwischen Verständnis. Nach all dem, was passiert ist, sauer zu sein und ällabätsch zu sagen, ist – auch wenn es nicht zur Branche passt: menschlich.

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