KOMMENTAR

Dann lieber Einlaufkind als Balljunge

von Redaktion

Wenn das kommt, was die Deutsche Fußball Liga als dringliche Empfehlung an ihre Clubs herausgegeben hat, dann wird Noel Urbaniak der Letzte seiner Art gewesen sein. Wenn‘s beim Namen nicht gleich klingelt: Der Balljunge von Dortmund, dem im März quasi der zweite Assist zugeschrieben wurde für ein Tor der deutschen Nationalmannschaft gegen Italien, weil er Joshua Kimmich die schnelle Ausführung einer Ecke ermöglicht hatte. Noel, der am Tag danach ein Praktikum in einer Döner-Fabrik in Iserlohn antrat, ist durch alle Fernsehsendungen gereicht worden, vielleicht begegnen wir ihm noch in den Jahresrückblicken – aber das wird‘s dann gewesen sein. Fortan sollen Balljungen und -mädchen null Einfluss aufs Spiel haben. Ihre Aufgabe beschränkt sich darauf, den Ball auf einem Hütchen abzulegen, von dem die Spieler ihn sich dann zu holen haben.

Klar, dass das die mögliche Ungerechtigkeit, dass der Heimmannschaft die Bälle akkurat und dem Auswärtsteam schlampig hingespielt werden von einem Verein zugetanen und somit parteiischem Personal, ausschaltet. Der Fußball würde dadurch allerdings noch klinischer und seiner gelegentlichen Schmunzel-Geschichten beraubt. Und: Was hätte es noch für einen Reiz, sich als Ballholender zur Verfügung zu stellen? Dann lieber „Einlaufkind“ oder „Escort Kid“, man ist näher an den Stars und kommt ins Fernsehen.

Balljungen träumen von dem Moment, in dem sie sich profilieren können mit einem eleganten Stoppen, Weiterleiten, einem One-touch-Zuspiel. Es ist kein Zufall, dass etliche heutige Stars einmal nahe der Seitenauslinie wirkten. Oder nehmen wir den Ur-Balljungen Pierre Littbarski. 1974 WM-Einsatz als Berliner Steppke im Olympiastadion seiner Heimatstadt beim Spiel DDR – Chile. Er hat nie vergessen, wie er dem DDR-Torwart Jürgen Croy den Ball reichte und dieser „Danke“ sagte. 1982 stand „Litti“ selbst bei einer WM auf dem Platz, 1990 wurde er Weltmeister. Ein Hütchen hätte mit ihm nicht gesprochen, ihn nicht zur eigenen Karriere motiviert.

Es gibt allerdings eine positive Seite bei der Einschränkung der Balljungen-Zuständigkeiten: Junge Trainer, die glauben, sie müssten den Fußball neu erfinden, geraten nicht in die Versuchung, sich Spielzüge auszudenken, die die Balljungen einschließen. Es wird nie ein 3 – 4- 2 – 1 – 8 – System geben und keine asymmetrischen und abkippenden Ballkinder.

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