Wiesbaden im Rampenlicht

von Redaktion

Pokalspiel als Imagewerbung: Wehen will langfristig raus aus tristen Drittliga-Alltag

Neu in der Geschäftsführung: Tobias Keller. © IMAGO/HEINEN

Trainer Döring muss sein Team bremsen. © IMAGO/Steinbrenner

Wiesbaden – Wer an Wiesbaden denkt, dem kommt nicht zuerst gleich Fußball in den Sinn. Hessens Landeshauptstadt ist bekannt für sein berühmtes Kurhaus, teure Wohngegenden und guten Wein. Insofern tritt der SV Wehen Wiesbaden im DFB-Pokal gegen der FC Bayern spielt (Mittwoch 20.45 Uhr/ZDF und Sky) auch gegen solche Klischees an. Der Drittligist hat eilig noch Büroräume zu VIP-Logen umfunktioniert, um möglichst vielen aus der illustren Stadtgesellschaft den Besuch zu ermöglichen.

In Wiesbaden haben in jüngerer Vergangenheit einige Bundesligisten im Pokal vorgespielt: FSV Mainz 05 (2024/1:3 n.V.), RB Leipzig (2023/2:3) und Borussia Dortmund (2021/0:3) nahmen teils mit Mühe die erste Hürde. Nun fiebern alle das Duell mit den Bayern entgegen. Motivieren müsse Wehen-Trainer Nils Döring niemand mehr, „eher im Gegenteil. Ich muss sie manchmal bremsen. Wichtig ist, einen kühlen Kopf zu bewahren, denn die Mannschaft kann an einem besonderen Tag Besonderes leisten. Die Jungs brennen!“

Drei Mal gaben die Rot-Schwarzen kurze Gastspiele in der 2. Bundesliga, 2020 und 2024 ging es nach dem Aufstieg gleich wieder runter. Irgendwie ist der SV Wehen Wiesbaden wohl ein typischer Drittligist – aber irgendwie auch nicht, weil die Strahlkraft fehlt. „Standort und Stadion, Zuschauer- und Mitgliederzahlen sind noch keine Garantie für Erfolg“, erklärt Sport-Geschäftsführer Uwe Stöver, „wir wollen uns mit unseren Mitteln positionieren“.

16 Millionen Euro setzte ein Drittligist in 2023/24 durchschnittlich um, bei 5,5 Millionen Euro lag der Personalaufwand. In Wiesbaden könnte es ein bisschen mehr sein, wobei Stöver die SV Elversberg als Beispiel nennt. In der saarländischen Provinz gelang, was in der hessischen Nische noch nicht klappte: einen etablierten Zweitligisten formen.

Deswegen möchte der SV von der Aufmerksamkeit profitieren. Die Brita-Arena mit 12 500 Plätzen ist natürlich ausverkauft. Frühere Heimat war ein zugiger Sportplatz auf dem Halberg, denn seine Wurzeln hat der 1926 gegründete Verein in Taunusstein. Der Zusatz Wiesbaden kam erst später dazu, doch Tobias Keller hat schnell gemerkt, dass das Zusammenwachsen sehr lange dauert. Es gebe bis heute Fans, die würden bewusst bloß „SV Wehen“ rufen, wunderte sich der 35-Jährige, der zum 1. Juli die Gesamtverantwortung übernahm. Das Pokal-Highlight kommt ihm wie gerufen, um „Markeneffekte und Fanentwicklung“ voranzutreiben. Vielleicht ist die Imagewerbung sogar wichtiger als der sechsstellige Gewinn aus Pokalprämie und Zuschauereinnahmen. Der neue SVWW-Macher feiert am Spieltag übrigens Geburtstag, und was er sich wünschen würde, kann sich jeder denken.F. HELLMANN

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