Daumen hoch: Aushilfstrainer Alan Ibrahimagic feiert einen am Ende ungefährdeten Auftaktsieg. © IMAGO/Wiedensohler
Tampere – Es gab viele deutsche Basketballer, auf die die Scheinwerfer hernieder funkelten. Franz Wagner strahlte, weil er 24. Geburtstag feierte und sich selbst mit dem Titel des Top-Scorers im ersten Spiel der Europameisterschaft beschenkte (22 Zähler). Andreas Obst entdeckte seine galaktischen Wurfkünste wieder und glänzte mit fünf Dreiern, die vieles gerade rückten, was in Hälfte eins gegen Montenegro verrutscht war. Selbst Ersatzmann Justus Hollatz begann zu leuchten, als er den 100. Punkt beim 106:76 (46:43)-Erfolg erzielte.
Nur einer bewegte sich einmal mehr im Schatten des Rampenlichts, wie es seine Art ist, obwohl ihn diesmal die große Bühne rief. Alan Ibrahimagic, der Bundestrainer in Vertretung, war froh, dass es nach dem lockeren Auftaktsieg der EM nicht um ihn ging, und auch nicht um den kranken Alex Mumbru. Er plauderte über die Telefonate mit Mumbru aus dem Krankenhaus im Vorgriff des Spiels. Er lobte den Gegner für seine „Schärfe“ in Hälfte eins. Montenegro hatte das Tempo aufs Heftigste verschleppt, mit seinen Kanten und Scharfschützen für Lecks in Deutschlands Defensive gesorgt. In Viertel drei (33:12) lief alles seine geordneten Wege. Deutschlands Abwehr war geflickt, Dennis Schröder, 21 Punkte, schlängelte sich widerstandslos zum Korb, Wagner walzte über hilflose Gegner hinweg, am Ende fluteten die Reservisten das Feld – und Ibrahimagic stand stoisch nebendran und genoss.
Andere Trainer sind selbst Stars oder verhalten sich so. Ibrahimagic hingegen ruht im Abseits. Daheim in der Berliner Szene sagen sie über ihn schon lange, dass er das Format eines Bundestrainers ausfüllt. Nur ist der Mann mehr mit Basketball beschäftigt, als sich selbst zu vermarkten. Er tuckert durch Europa, um Gegner auszukundschaften und betreut mal die wenig ruhmreiche A2-Nationalmannschaft. Dazu passt gut, dass er jetzt sagt: „Ich weiß, wer ich bin, und ich bin hier als Assistenztrainer.“
Zwölf Jahre arbeitet er bereits als Bundestrainer im Nachwuchs. Seine Bewerbung beim Verband reichte er damals selbst ein. Es wurde sein Spezialgebiet: Mit der U18 gewann er voriges Jahr die Europameisterschaft, die U19 holte erst kürzlich Silber, die Hälfte des aktuellen Teams kennt ihn aus Jugendjahren. Trainerkollegen schätzen die Selbstironie und Weltoffenheit des Jugend-Gurus, die freilich auch aus der Vita heraus zu erklären ist. Im Jugoslawienkrieg floh die Familie von Bosnien nach Berlin. Ibrahimagic war 14. Nach dem Abitur wanderte sie nach Australien aus. Die Eltern blieben dort, ihr Sohn behielt die Staatsbürgerschaft, aber kehrte nach drei Jahren wieder um. Auf Reisen liest und sammelt er stets Tageszeitungen, auch wenn er kein Wort versteht wie hier im finnischen Tampere.
Am Ende seines ersten Arbeitstags als Chef, den er als „erstaunlich normal“ beschrieb, hatte er noch über die einzig bedrückende Szene des Auftakts zu referieren. Isaac Bonga verließ humpelnd das Feld, trabte schnurstracks in die Umkleide und verwies beim Weg dorthin auf sein linkes Knie. So genau könne man es noch nicht sagen, erläuterte Ibrahimagic nach Rücksprache mit Teamarzt Oliver Pütz. Immerhin habe Bonga in der Kabine schon wieder gefeixt und gelacht. Alle werteten das als gutes Zeichen. ANDREAS MAYR