Antwortet mit Qualität: Dennis Schröder. © Stickel/dpa
Breiter Rückhalt: Schröder wurde von der kompletten Familie unterstützt. © IMAGO
Auf einem Männer-Trip: Daniel Theis meldete sich trotz aller Probleme mit seinem lädierten Knie eindrucksvoll zurück. © IMAGO
Tampere – Wie Dennis Schröder vor die Mikros trat, war das Gesamtkunstwerk der deutschen Basketballer mit einem Mal nicht mehr wichtig. Der Kapitän berichtete nach dem Sieg über Litauen, dass zwei Fans des Gegners ihn auf dem Weg in die Pause mit Affenlauten bedachten. Die EM hatte einen Rassismus-Skandal. Darauf folgten ein Rauswurf der Täter, eine Intervention von DBB-Chef Ingo Weiß, eine Untersuchung des Weltverbands und am Ende ein EM-Ausschluss der beiden Zuschauer.
Schröder und Familie freilich schockierte der Vorfall. Frau Ellen zeigte in den Sozialen Medien weitere ekelhafte, rassistische Nachrichten, erhalten am selben Tag. Ihr Mann, der zum ersten Mal bei einem Spiel betroffen war, stellte für kurze Zeit das Bild eines der Delinquenten online. Wie aus seinem Umfeld zu hören ist, traf ihn die Szene härter als die üblichen Hass-Kommentare, denen er regelmäßig ausgesetzt ist. Er wird das unrühmliche Ereignis als Antrieb nutzen, so hat er das stets gehandhabt, bestätigt Kumpel Daniel Theis: „Er wird das mit Leistung auf dem Feld zeigen.“
Die Konsequenzen haben die Gegner auszubaden. Das ist keine gute Nachricht für Basketball-Europa, das ohnehin vor diesen Deutschen zittert. Der jüngste Kantersieg – 107:88 – hat sie in eine neue Sphäre gehoben. Sie nicht mehr nur ein Titelfavorit, sondern DER Titelfavorit. Diese Promotion ging mit den Nachrichten aus Riga einher. Bogdan Bogdanovic, Serbiens Co-Star, wird von seinem NBA-Team aus Los Angeles abgezogen, nachdem sich ein Muskel im Oberschenkel gelöst hat. Die Serben, und weitere Favoriten, schleppen sich mit Mühen durch ihre Vorrunde, die Deutschen schweben darüber hinweg.
Litauen, auch wenn der Glanz früherer Jahre oxidiert ist, war als erste Inspektion gesehen worden. Am Ende bezeugte Deutschland seinen Vorsprung zum Rest des Kontinents. Mit 19 getroffenen Dreiern stellte man den EM-Rekord ein. Mehr noch als die rohen Zahlen flimmerte das blinde Verständnis der Deutschen. Vergleichen lässt sich das, was sich gerade in Tampere abspielt, mit einer Elchjagd unter Freunden, ein gern gebuchtes Abenteuer für Männer-Ausflüge im Land. Daniel Theis, der Senior im Team, vermerkte nach der Gala auf die Frage, warum er sich das mit 33 und zahllosen Gebrechen noch antue: „Das ist so eine Art Männer-Trip.“ Die meisten im Team verbringen den vierten Sommer in Folge miteinander. Aus der Zweck- ist eine Jagd-Gemeinschaft geworden, die sich längst nicht mehr mit einem Abschuss zufriedengibt. Es muss jetzt schon der kapitale Prachtbulle sein. „Wir sind hergekommen, um Europameister zu werden“, hielt Daniel Theis fest.
Sein Team hat die basketballerische Treibjagd perfektioniert. Dennis Schröder (26 Punkte) und Franz Wagner (24) schrecken mit erbarmungsloser Rastlosigkeit die Reihen der Gegner auf. Keine Nation dieses Kontinents hat zwei solche Treiber auf dem Feld. Auf sie könne sich der Gegner schwer vorbereiten, erklärt Theis. „Es ist nur: Attacke, lauf’!“ Den Rest der Arbeit erledigen Deutschlands Schützen aus alle Lagen.
Gegen Litauen war das vornehmlich Daniel Theis. Alle seine neun Würfe, darunter drei Dreier, fanden ihr Ziel. 23 Zähler bedeuten für ihn Rekordausbeute im DBB-Trikot – und ein wenig Wiedergeburt nach diesem Jahr der Leiden. Es war weniger sein Abschied aus der NBA, der ihn belastete, mehr seine Probleme am Knie, die natürlich auch auf seine Treue zum Nationalteam mit rastlosen Sommern zurückzuführen sind. „Ziemlich nervig“ sei dieser „zähe Sommer“ gewesen, sagt er. Sein Geist war willig, sein Plan bis zur Rückkehr allerdings starr. In gemächlichen Schritten nähert er sich seinem alten Selbst. Geht das Konzept auf, sollte er bis zum Finale in zwei Wochen den erwünschten Zustand erreicht haben, wo er doch wohl der einzige ist, der das serbische Ungetüm namens Jokic halbwegs bändigen kann. ANDREAS MAYR