„Wir werden verheizt“

von Redaktion

Erst Voigtmann, nun Jokubaitis – Verletzungen bei der Basketball-EM treffen den FC Bayern hart

„Niederschmetternd“: Jokubaitis humpelt mit lädiertem Knie vom Feld. © IMAGO

Tampere – Die Kontroverse, die niemand haben wollte, trifft mit voller Wucht die Basketball-EM. Und darüber hinaus den FC Bayern. Der Tatort hieß Tampere, und die Bilder von dort ließen Schlimmstes erahnen, bevor es Klarheit gab. Am Sonntag bereits traf man Johannes Voigtmann am Bahnhof, die Miene aus Stein, der Gang schwer. Er sollte kurz heim nach München zur Inspektion seines Knies – und kam nicht zurück. Knorpelschaden, heißt es, die Bayern selbst schreiben von einem kleinen Eingriff und einigen Wochen Pause. Zwei Tage später stürzte Rokas Jokubaitis krachend zu Boden und Tausende erahnten da schon das kapitale Leid des litauischen Anführers. Ein Band im linken Knie, dem Vernehmen nach ein Kreuzband, ist dermaßen lädiert, dass der neue Star der Bayern mindestens sechs Monate ausfällt. Sportchef Dragan Tarlac nannte das Wort „niederschmetternd“, das passte, kann aber trotzdem nicht das ganze Ausmaß der Katastrophe ausdrücken: Die Bayern brauchen nun Ersatz auf der Schlüsselposition.

Bei der EM, die bislang von der Herrlichkeit des deutschen Teams getragen worden ist, flammt vor dem letzten Spieltag der Vorrunde die Debatte um die übermäßige Last wieder auf, die auf diese Kolosse wirkt. Weitere Stars – der Serbe Bogdan Bogdanovic wie der Lette Arturs Zagars – sind ebenso Opfer von Verletzungen geworden, die zum Teil auf die erhebliche Zusatzlast zurückzuführen sind. Fünf Spiele in einer Vorrunde, einige gegen kaum konkurrenzfähige Nationen, erhöhen das Risiko stark.

Als prominenter, wenn auch vorsichtiger Kritiker, positionierte sich der Bundestrainer. Alan Ibrahimagic formulierte vor dem heutigen Spiel gegen Finnland (19.30 Uhr) seinen Furor mit Umsicht: „Aus Fan-Sicht würde ich mir eine kleinere Gruppe mit engeren Spielen wünschen. Aber mir ist auch klar, warum das erweitert wurde.“ Schrittweise von 2005 bis 2011 vergrößerte der Verband das Feld, um den Basketballsport auch ins europäische Outback zu transportieren. Der Preis sind noch mehr Vergleiche ohne Wert, wie auch Bayern-Profi Justus Hollatz in seinem EM-Tagebuch anmahnte: „Es zählt offenbar nur noch: mehr ist mehr… wir werden verheizt.“ Sein Blick geht auch in Richtung Euroleague, die bei auf 20 Teams erweitert wurde. Bis zu 100 Saisonspiele sind nun möglich.

Das Schlamassel zu verwalten haben nun die Mannschaften, die Nationalteams wie die Proficlubs. Bei Serben wie Deutschen dreht sich alles um die Frage, wie sich die Verletzungen auf die Titelquoten auswirkt. So viel kann man sagen: Das Feld ist näher herangerückt an die beiden Top-Favoriten. Voigtmanns Ausfall trifft die Deutschen mit Blick auf die finalen Festspiele in Riga. Wenn dort die Leichtigkeit der Vorrunde weicht wird seine Reife fehlen. Der 32-jährige Center ist der Gegenpol zur ultracoolen Unbekümmertheit der US-Profis. Und dann ist da noch die Sache mit den Super-Schwergewichten. Spätestens im Halbfinale warten die Top-Center Nikola Jokic (Serbien) oder Alperen Sengun (Türkei). Den Deutschen bleibt nur eine Wahl: Sie müssen noch schneller agieren, noch mehr Dreier werfen. Isaac Bonga und Tristan da Silva könnten da helfen. ANDREAS MAYR

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