Toronto/München – Die Mitspieler bei den Montreal Canadiens wunderten sich in den 70er-Jahren immer über ihren Torhüter, der versunken in einer Ecke der Kabine saß und sich auf Papier Notizen machte. Einige Jahre nach dem Ende seiner Karriere wussten sie, warum er das getan hatte: Ken Dryden brachte 1983 ein Buch heraus. „The Game“ hieß es, immer wieder wird es neu aufgelegt, es wurde zum Klassiker der Sportliteratur. Der authentische Inside-Report eines Eishockeyspielers. Von erzählerischer und psychologischer Dichte. Ohne Ghostwriter verfasst. Die Kritiker schwärmten von „Poesie“. Ken Dryden schrieb noch weitere Bücher, er war immer eine Stimme des kanadischen Sports. Am Freitag ist er 78-jährig an Krebs verstorben.
Dryden gilt als bester Torwart, den die Eishockeynation Kanada je hatte. Dabei zierte er sich zunächst, das Profi-Angebot des wichtigsten NHL-Clubs des Landes, der Montreal Canadiens, anzunehmen. Er wollte erst studieren, Jura und Geschichte. Als er dann endlich einschlug, begleitete er eine einmalige Erfolgsserie des Vereins: Sechsmal wurde in acht Jahren der Stanley Cup gewonnen. Zudem stand Ken Dryden im kanadischen Nationalteam, das sich 1972 auf die „Summit Series“, den den interkulturellen Vergleich mit den Staatsamateuren aus der Sowjetunion, einließ (vier Spiele in Kanada, vier in Moskau) und knapp gewann.
Mit 31 Jahren machte Ken Dryden Schluss mit Eishockey. Er arbeitete als Anwalt und Autor, war Präsident der Toronto Maple Leafs und liberaler Politiker, von 2004 bis 06 sogar Minister für soziale Entwicklung. Der Brauerei-Mogul Geoff Molson, Besitzer der Montreal Canadiens, würdigte Dryden als „überlebensgroße Persönlichkeit“, Kanadas Premierminister Mike Carney meinte: „Nur wenige standen höher in unserer Achtung.“ Ken Dryden war ein Nationalheiligtum.GÜK