Wachgerüttelt: Maodo Lo setzte das Zeichen zum Schlussspurt. © IMAGO
Riga – Es ist nicht überliefert, ob die Bauarbeiter von Riga Basketballfans sind. Jedenfalls wussten sie nicht, wer im Hotel Park Inn Valdemara – vier Sterne, ärmliche Umgebung – residiert, während sie nach Mitternacht Asphalt frästen. Man ahnt’s: Es sind die deutschen Basketballer, die gerade in Lettland versuchen, Europameister zu werden. Am Tag darauf trafen und schlugen sie Portugal (85:58), aber spielten drei Viertel lang wie Männer, die neben einer Baustelle nächtigten.
Natürlich war das keine Entschuldigung für den verwackelten Auftritt gegen den Zwerg, aber es passte ins Gesamtbild des ersten Achtelfinaltags, den die Nationalmannschaft mit Mühe überlebte. „Schade, dass das Spiel nicht 30 Minuten dauert“, scherzte hinterher Portugals Trainer Mario Gomes. Das Dreiviertel-Ergebnis dieses Spiels lautete nämlich 52:51 – für Deutschland – und drückte schon eher aus, wie zäh alles von der Hand ging.
Auch wenn die Ära des Gordon Herbert vorüber ist, schweben seine Glaubenssätze noch immer im deutschen Basketball-Orbit. Herbert pflegte von einem „Stinker“ zu sprechen, wörtlich übersetzt einem Furz, der jedem Team einmal im Laufe des Turniers versehentlich entfährt. Nun, hier war der deutsche Furz nach fehlerfreier Vorrunde. Ein kurzer Medizincheck ergab reichlich Argumente: der Ortswechsel, die ungewohnte Halle, das Hotel, die Tagesform – und, ja, dieser unbequeme, iberische Rebell.
Die Portugiesen hatten das deutsche Team besser durchschaut als alle anderen. Gnadenlos hämmerten sie auf die Schwachstellen ein. NBA-Koloss Neemias Queta schütze seine Reviere unter den Körben mit der Härte eines Holzfällers. In der Offensive verlangsamten sie ihre Angriffe auf Zeitlupentempo. Dennis Schröder und Franz Wagner packten sie auf ihren Routen zum Ring äußerst unsanft an. Freilich war das auch ein Wettspiel gegen die bis dato so großen Dreier-Fähigkeiten der Deutschen. Es ging auf. Zwischenzeitlich 22 Versuche in Folge setze das Nationalteam in den Abschnitten eins bis drei vorbei – und verlor trotzdem nicht den Mut. „Wir spielen unser Ding, auch wenn die mal nicht fallen“, sagt Tristan da Silva. Nach dem Treffer von Maodo Lo in Minute 27 wich die ganze Last. Deutschland nun selbst beinhart beim Verteidigen, traf danach acht weitere Dreier. „Ich glaube, dass wir auch hässlich gewinnen können“, hielt Alan Ibrahimagic fest.
Die Sache mit dem Trainer mag noch so ein Faktor gewesen sein, der das Feng Shui störte. Bundestrainer Alex Mumbru, ausgemergelt, aber willig, kehrte zurück, wechselte sich mit Assistent Ibrahimagic an der Seite ab. Aber nur bis zur Halbzeit. Danach übernahm der Erfolgscoach der Vorrunde. So besprachen sie sich in der Pause. „Das zeigt, wie sehr er hinter dem Team steht“, merkt Tristan da Silva an. Indes: Im Hintergrund laufen bereits Gespräche, ob es nicht sinnvoller ist, den angeschlagenen Spanier eben doch bis zum Ende des Turniers in der zweiten Reihe zu lassen.
Immerhin blieb Zeit, sich über solche Nebensächlichkeiten auszulassen am Tag des großen Favoriten-Bröselns. Die heimischen Letten erstickten am Erwartungsdruck, schieden im baltischen Derby mit Litauen aus. Gegen die Serben verschworen sich gegen Finnland sämtliche Götter des Basketball-Himmels. Tags darauf patzte auch Frankreich sensationell gegen Georgien, das nun gegen Finnland ums Halbfinale kämpft. Deutschland, das weiß man seit Sonntagabend, muss am Mittwochabend gegen Slowenien mit NBA-Superstar Luka Doncic ran (84:77 gegen Italien).
Immerhin: Im Hotel der Serben, gelegen in der Innenstadt, sind nun Plätze frei. Die Deutschen, so hört man, haben beim Verband einen Umzug erbeten.ANDREAS MAYR