Aus der Traum: Superstar Doncic. © IMAGO
Später Jubel – dann aber richtig: Franz Wagner kam auf 23 Punkte, wichtige Punkte. © IMAGO/Veselinov
Die Siegerfaust? Lange war das DBB-Team hinten, im vierten Viertel allerdings drehte das Team um Dennis Schröder auf. © IMAGO/Wunderl
Riga – Die meisten waren gekommen, um den Magier zu sehen. Luka Doncic ist ein mystisches Wesen, dem paranormale Fähigkeiten nachgesagt werden. Seit dem Viertelfinale kann man festhalten: Das ist nicht übertrieben. Mit 39 Punkten beförderte der Slowene die Deutschen an den Rand des Turnieraus’ bei der EM, aber nicht darüber hinaus. In den letzten Minuten bogen sie die Partie um, siegten 99:91 und stehen im Halbfinale gegen Finnland am Freitag.
Ein magischer Wurf hatte die Kraft, Deutschland zu heilen. Der kam Ausnahmsweise nicht von Doncic. Wie Tristan da Silva in den Schlussrunden des dritten Viertels aus 15 Metern Entfernung die Verzweiflung des Weltmeisters in einen Versuch packte, war er auf bestem Weg aus dem Turnier. Der Treffer von Höhe der Mittellinie zum 70:74 sortierte alles, was an diesem Abend durcheinander geraten war – und das war viel.
Wer dieses deutsche Team bezwingen möchte, braucht Feuerkraft und Magie. Beides vereint der Mann aus Ljubljana. Doncic ist ein Hexer, dessen Tricks nicht auffliegen, egal wie oft man versucht sie zu entzaubern. Deutschland wählte Angriff als Mittel der Verteidigung. Sie pinnten ihm eine Zielscheibe in Übergröße auf die Brust, um ihn auch ja in jedem Angriff zu identifizieren. Das funktionierte anfangs insofern, als dass sie dem Slowenen Fouls unterjubeln konnten. Doch obwohl das erste kleine Gefecht an das DBB-Team ging, wendete sich die Schlacht zugunsten der Slowenen. So schlau die Taktik gewählt war, die Deutschen verloren sich in diesem unlösbaren Labyrinth. Ihre Offensive verkümmerte in Eindimensionalität, sie beraubten sich selbst ihres Tempos.
Die großen Wunden fingen sie sich in der Verteidigung. Das Beunruhigende zur Pause – Deutschland lag 45:51 hinten – waren nicht Doncic’ 22 eigene Zähler, sondern dass seine Nebenmänner selbst 29 Punkte beigetragen hatten. Mit dem Staatsheiligen und seinen Zauberkünsten verhält es sich nämlich so: Die Superkraft verbreitet sich, plötzlich bekommen auch zweit- und drittklassige Spieler goldene Händchen. Außerdem, für Maloche unter dem Korb hat es noch nie Hexerei gebraucht. Den größten Schaden richteten die Slowenen mit ihren Offensiv-Rebounds an, neun alleine in Hälfte eins, insgesamt 15. Damit schlugen sie auf die größte Schwäche des DBB-Teams ein: das Rebounding in der Defensive.
Wie sie einmal in Führung waren, startete eine weitere Mission. Sie wussten, um tatsächlich dieses Coup zu landen, mussten sie zündeln, provozieren, das Duell ins Chaos stürzen. Mit Fouls, mit Wortgefechten, mit allem, was sonst noch so dazu gehört. Damit stellten sie sicher, dass Deutschland auch ja nicht zu seinem Rhythmus findet. Sie lockten die deutschen Stars, Dennis Schröder (20 Punkte) und Franz Wagner (23), forderten sie heraus, doch das Spiel an sich zu reißen. In diesem Gewirr verlor Deutschland sich und sein Teamspiel, irrlichterte mit den Schiedsrichtern dem Ende – seinem Ende – entgegen.
Und dann kam Tristan da Silva. Nach seinem Sensationswurf galten auf einmal wieder die Gesetze des Basketballs, und da lautete das Wichtigste aus deutscher Sicht: Doncic und seine Slowenen sind eben auch nur K.o.-Schläger, man muss nur lange genug auf den Brettern bleiben. Die Deutschen hielten sich oben, fanden zurück zur ihrem Teamspiel – und entkamen mit dem Schrecken ihres Lebens den Fängen des Magiers. Andreas Mayr