So funktioniert die Bayern-Familie

von Redaktion

Patron Hoeneß gibt im Münchner Haifischbecken noch immer den Ton an

Der Auftritt von Uli Hoeneß im „Doppelpass“ auf Sport 1 hat hohe Wellen geschlagen. Wie so häufig nahm der Patron des FC Bayern kein Blatt vor den Mund – und verriet unter anderem, dass Sportvorstand Max Eberl bei Diskussionen bisweilen empfindlich sei, während er und Karl-Heinz Rummenigge früher „wie die Besenbinder“ gestritten hätten: „Aber wenn die Tür hinter uns zuging, war es wieder okay.“ Gleichzeitig lobte Hoeneß die Zusammenarbeit zwischen Eberl, Sportdirektor Christoph Freund und Präsident Herbert Hainer. Trotzdem kündigte der Ehrenpräsident an, dass sich er und Rummenigge erst zurückziehen werden, „wenn wir die richtigen Leute am richtigen Posten haben“. Heißt im Umkehrschluss, dass die aktuelle Führung noch nicht die Ideal-Besetzung ist? So oder so: Die Bayern-Familie, wie Präsident Hainer gerne zu sagen pflegt, ist ein kompliziertes Konstrukt. Auf und abseits des Platzes gleicht sie einem Haifischbecken.

Hoeneß & die Presse

Zur morgendlichen Lektüre zählt unter anderem die Tegernseer Zeitung. Die dortige Bayern-Berichterstattung wird von unserer Sportredaktion gestaltet. Darüber hinaus pflegt der Ehrenpräsident ein gutes Verhältnis zum Fachmagazin „Kicker“ und lässt sich in der Montagausgabe auch mal kurz zitieren. Auf die „Bild“ ist Hoeneß hingegen nicht gut zu sprechen. „Was mich sehr geärgert hat, ist die Dummheit einiger Journalisten. Sie haben meine Worte so interpretiert, als hätte ich etwas gegen Jackson“, schimpfte er. Hoeneß hatte von einer Klausel über eine Kaufpflicht berichtet und wurde dafür kritisiert.

Hoeneß & die Experten

Dass Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus bei Hoeneß unten durch ist, ist kein Geheimnis. Gleiches gilt für Markus Babbel. „Uli und ich werden nicht warm miteinander, das müssen wir auch nicht. Ich mache das, was ich für richtig halte. Das meiste von dem, was Uli gesagt hat, habe ich als peinlich empfunden“, schrieb Matthäus in seiner Sky-Kolumne. Andere Experten wie Stefan Effenberg schätzt der Ehrenpräsident. Verbessert hat sich wohl das Verhältnis zum einstigen Erzfeind Didi Hamann. Und auch bei Lothar ist noch Musik drin, analysiert Psychologe Matthias Herzog: „Hoeneß hat den inneren Haken noch nicht gesetzt. Wenn man wirklich mit jemandem abgeschlossen hat, redet man nicht mehr über ihn.“

Hoeneß & Eberl

Wer dachte, Hoeneß würde nach seinem Klartext-Auftritt im „Doppelpass“ zum Thema Max Eberl, den er dort als Sensibelchen hingestellt hatte, öffentlich zurückrudern, der täuscht sich. Erst am Mittwoch verteidigte der Ehrenpräsident seine kontroversen Aussagen: „Ich habe keinen Grund, mich mit Max auszusprechen. Ich bin der Meinung, dass das, was ich gesagt habe, absolut okay ist. Das ist die Wahrheit.“ Psychologe Herzog sieht das Verhältnis komplizierter: „Öffentlich jemandem Sensibilität vorzuhalten, führt schnell zur Bloßstellung. Zwischen den Zeilen sagt Hoeneß:‚ Ich finde, du musst robuster werden. Und wenn es dir nicht passt, kannst du ja gehen. So etwas kann das Klima vergiften. Im Fußballbusiness braucht es dicke Haut, aber auch Vertrauen – und das leidet unter solchen Spitzen extrem.“ Als Kritik wollte Hoeneß seine Vorwürfe aber keineswegs verstanden wissen: „Alles, was ich gesagt habe, war für Max sehr hilfreich. Alles, was ich gesagt habe, sollte ihm helfen.“

Rummenigge & Eberl

Dass der langjährige Münchner Vorstandschef mit der Arbeitsweise von Eberl nicht zufrieden ist, wurde schon seit längerer Zeit registriert – und ist vereinsintern auch kein Geheimnis mehr. Eberl wäre nicht der erste Sportvorstand, der über Rummenigge stolpert. Kalle soll im Hintergrund maßgeblich daran beteiligt gewesen sein, dass Hasan Salihamidzic gemeinsam mit Ex-CEO Oliver Kahn im Mai 2023 gehen musste. Rummenigge schreckt nicht davor zurück, die Arbeit der sportlichen Leitung auch öffentlich zu kritisieren. Sein Wort ist geschätzt wie gefürchtet.

Eberl & Freund

Ursprünglich sollten Eberl und Freund als Tandem die sportlichen Planungen vorantreiben. Im zurückliegenden Transfersommer soll der Sportvorstand aber Transfer-Alleingänge unternommen haben. Das kam beim loyalen Freund bedingt gut an.

Dreesen & Eberl

Das Verhältnis zwischen dem launigen CEO und Sportvorstand ist professionell. Die Hoeneß-Aussagen zu Eberl kommentierte Dreesen wie folgt: „Es ist ja durchaus legitim, auch kontrovers zu diskutieren. Nichts anderes hat Uli Hoeneß getan. Wenn alle immer nur im Chor das Gleiche singen, wird es langweilig.“ Ob Eberl das ähnlich sieht?

Hoeneß & Rummenigge

Während zu operativen Tagesgeschäftszeiten zwischen Hoeneß und Rummenigge regelmäßig die Fetzen flogen, pflegen die beiden Granden derzeit eine stille Allianz im Aufsichtsrat – bis die Königs-Nachfolge gefunden wurde. „Das ist keine Rückzugsankündigung, das ist ein Warnsignal. Hoeneß zeigt klar: Wir bleiben am Drücker, bis wir glauben, dass der Laden läuft. Wer das als Mitarbeiter hört, weiß: Ich werde beobachtet. Das ist Kontrolle durch die Hintertür“, lautet die Analyse von Sportpsychologe Herzog. Das Duo spricht sich in seinem Handeln stets eng ab, wie beispielsweise beim erhofften Wunsch-Transfer von Florian Wirtz. Damals sprach Hoeneß mit Vater Hans Wirtz, während Kalle seine Drähte nach Leverkusen spielen ließ. Dazu passt: Im stillen Kämmerlein hat das Duo schon häufiger zu sich gesagt: Hätten wir uns nur besser zusammengerissen und am Ende nicht Ego gegen Ego geschossen, dann hätten wir den Verein bis jetzt noch bestens geführt und all das Theater erspart.

Hainer & Hoeneß

Den Ehrenpräsidenten und den Präsidenten verbindet eine lange Freundschaft. Hoeneß hatte Hainer davon überzeugt, im Jahr 2019 für das höchste Amt im Verein zu kandidieren. Darum verhält sich der Patron ihm gegenüber auch loyal – was auf Gegenseitigkeit beruht. Nicht umsonst verteidigte Hainer erst am Mittwoch den jüngsten TV-Auftritt von Hoeneß: „Man muss da immer die Kirche im Dorf lassen. Der Uli sagt, was er denkt. Es ist immer im Sinne des FC Bayern München. Er will das Beste für den FC Bayern.“ Dass Hainer gerne im Blitzlicht-Gewitter steht, ist auch Hoeneß nicht entgangen. BOK, PK, HLR

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