Als Gejagter in die letzte Mission

von Redaktion

Für Bobfahrer Lochner ist nach Olympia Schluss – Krönung in Cortina?

Johannes Lochner (re.) in Tracht. © Screen

Johannes Lochners Team nimmt Anlauf für die letzte Saison. Olympia als großes Highlight, zudem will er den Gesamtweltcup verteidigen. © IMAGO/Koepke

München – Am vergangenen Dienstag hätte sich Johannes Lochner die beste Gelegenheit geboten, mal richtig die Sau rauszulassen. Wenn Sponsor „Angermeier“ zur „Nacht der Tracht“ lädt, geht‘s schon vor dem Wiesn-Start zünftig zu – und Grund zum Feiern hätte es für den Bob-Weltmeister von 2023 auch gegeben. Aber der inzwischen 34-Jährige war professionell genug, nicht zu übertreiben. Zum Einen, weil das Oktoberfest die heiße Phase der Saisonvorbereitung einläutet. Und zum anderen, weil ihm der nachträgliche Gewinn des Gesamtweltcups des vergangenen Winters zwar inzwischen sicher ist, aber auch: herzlich egal.

Vor eineinhalb Wochen ist auch bei Lochner die Mitteilung des internationalen Verbandes IBSF eingeflattert, in der es endlich Gewissheit gab. Sie hatte den Betreff „Dopingsperre Simon Wulff“ und den Inhalt, der in der Branche seit Monaten erwartet wurde. Für 21 Monate wurde Wulff, Anschieber von Gesamtweltcupsieger Francesco Friedrich, wegen eines positiven Dopingbefunds von Ende 2024 gesperrt. Deswegen wurden die Ergebnisse der zwei mit Wulff gefahrenen Rennen aus der Gesamtweltcup-Wertung gestrichen. Noch hat Lochner „nichts Offizielles vom Verband“, aber er kann rechnen und weiß: „Ich müsste jetzt Gesamtweltcup-Sieger sein.“ Zum ersten Mal, wohlgemerkt. Aber so richtig freuen kann er sich über diesen Sieg am grünen Tisch nicht.

Lochner erinnert sich noch gut an die Siegerehrung der letzten Weltcup-Station in Lillehammer. Friedrich reckte zum achten Mal die große Kugel in Luft, Lochner stand auf Platz zwei und dachte sich: „Was soll denn das?“ Auch jetzt, ein gutes halbes Jahr später, sagt er: „Wenn ich der Franz gewesen wäre, hätte ich gesagt: Nehmt die Kugel gleich!“ Natürlich wollte der Olympiasieger solange für seinen Anschieber kämpfen, bis das Dopingverfahren abgeschlossen ist. Aber Lochner wirft ihm auch ein Stück weit „Sturheit“ vor: „Da geht‘s um Prinzip.“ Der Moment des Triumphes war Lochner so nicht vergönnt, „und jetzt“, sagt er, „ist mir auch egal, welche Farbe die Kugel hat, die da im Regal steht“. Was ihm jedoch gefällt: „Dass ich in der neuen Saison der Gejagte bin.“ Zumal es nach mehr als einem Jahrzehnt im Weltcup „die letzte“ sein wird.

Das Motto ist klar: „Save the best for last“ – hebe Dir das letzte bis zum Schluss auf. Seine olympische Bilanz: zwei Silbermedaillen aus Peking, Gold zum Abschluss wäre natürlich „der Wahnsinn“. Schaden kann es auf dem Weg dahin nicht, wenn „das Bauchgefühl“, wie er sagt, „schon mal stimmt“.

Materialtechnisch ist sein Team schon jetzt gut aufgestellt, vier verschiedene Set-Ups hat Lochner in petto. Und auch an den Kufen wurde mit Friedrichs Ex-Anschieber Torsten Margis, jetzt bei Lochner im Team, Einiges verändert. Und weil im technischen Bereich alles passt, machen Lochner die personellen Rückschläge aus den letzten Wochen nicht allzu viele Sorgen.

Natürlich ist es nicht optimal, dass sich in Florian Bauer (Bandscheibenvorfall) und Eric Bruckert (Sehnenriss in der Wade) gleich zwei seiner Anschieber verletzt abmelden müssen. Aber nun können sich eben andere beweisen. Lochner braucht auf der letzten Mission maximale Schubkraft. Er will noch mal die Sau rauslassen.HANNA RAIF

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