Erfolgsduo: Knapp und Mihambo. © IMAGO
Malaika Mihambo liefert seit Jahren konstant für die deutsche Leichtathletik ab. Gibt es den nächsten Höhenflug? © IMAGO/
Tokio – Von „verschwommenen Erinnerungen“ spricht Ulli Knapp, wenn er an die Olympischen Spiele von Tokio im Jahr 2021 denkt. Knapps Schützling Malaika Mihambo gewann die Goldmedaille im Weitsprung, doch Corona bestimmte die Spiele. Nun gibt es bei der Weltmeisterschaft die Rückkehr nach Tokio für das Erfolgsgespann. Unserer Zeitung verrät Knapp (66), wie der perfekte Sprung von Mihambo aussehen muss, um die nächste Medaille zu gewinnen.
Ulli Knapp, letztes Jahr musste Malaika Mihambo nach Silber bei den Olympischen Spielen mit dem Rollstuhl aus dem Stadion gefahren werden. Ein Zusammenbruch, Nachwirkungen der Corona-Infektion. Hat das beim Start in die aktuelle Saison noch eine Rolle gespielt?
Ich würde sagen, dass es zu 99 Prozent mit dem Start ins neue Jahr ausgestanden war. Wenn wir sehr hart trainiert haben, hat man manchmal noch gemerkt, dass Malaika länger für die Regeneration gebraucht hat. Das hat sich im Laufe der Saison aber normalisiert. In den letzten sechs Wochen der unmittelbaren Vorbereitung konnten wir störungsfrei trainieren.
Der Fokus lag in den letzten Monaten auf einem veränderten Anlauf. Können Sie uns die Details erklären?
Der Anlauf war in den Wettkämpfen zu inkonstant. Der Probesprung hat oft gepasst, im Wettkampf war der Anlauf dann drei Fuß vor dem Brett. Und dann wieder einer über dem Brett. Das liegt daran, dass Malaika eine Art Steigerungslauf gemacht hat. Sie hat viel Druck auf die Hüfte gebracht, der Anlauf hat aber extrem variiert.
Welchen Lösungsansatz haben Sie für das Problem gefunden?
Wir haben mit einem Biomechaniker analysiert, wie die Geschwindigkeitsentwicklung ist. Es kam raus, dass die Höchstgeschwindigkeit erst am Balken ist. Das führt dazu, dass man sich nicht so gut auf den Absprung vorbereiten kann. Mein Wunsch war, dass sie mit Druck auf den ersten Schritten, ähnlich wie bei einem Sprint, losläuft. Das haben wir mithilfe von Lasertechnik ausgemessen. Es hat sich gezeigt, dass die Höchstgeschwindigkeit nun früher erreicht wird, bei ungefähr 30-35 Metern. Somit hat sie mehr Zeit, sich auf den Absprung vorzubereiten. In Zürich haben wir den neuen Anlauf das erste Mal probiert und gemerkt, dass die Varianz deutlich geringer ist. Früher waren es 70 bis 90 Zentimeter, jetzt sind es nur noch 10 bis 15. Das gibt deutlich mehr Sicherheit.
Sie haben mit Malaika Mihambo eine Zwischenmarke definiert, die Ihnen Anhaltspunkte für das Coaching während der Wettkämpfe gibt.
Die Marke ist der Punkt, an dem Malaika ihren viertletzten Schritt setzt. Anschließend geht es in die Absprungvorbereitung. Bei all ihren Topsprüngen der letzten zehn Jahre hat sich dieser Bereich als optimale Marke rausgestellt. Für mich ist diese Marke hilfreich, um den Anlauf während des Wettkampfs entsprechend anpassen zu können. Bei der WM wird man wohl zwischen 7,10 bis 7,20 für Gold springen müssen.
Sie bilden seit Jahren ein Erfolgsgespann mit Mihambo. Was schätzen Sie an der Zusammenarbeit?
Mit Malaika kann man über jedes Thema diskutieren. Das ist eine ganz tolle Nuance ihrer Persönlichkeit. Sie hat ihre eigene Meinung, da differieren wir schon mal. Aber sie hat mich auch schon von ihren Standpunkten überzeugt, bei denen ich vorher anderer Meinung war. Die Zusammenarbeit mit Malaika ist wirklich sehr erfrischend und inspirierend. Da geht es nicht nur um Medaillen und Erfolgen, sondern um den Menschen.
INTERVIEW: NICO-MARIUS SCHMITZ