Der Blick zeigt seine Entschlossenheit: Johannes Thiemann stürmt am Finnen Mikka Muurinen vorbei. © sampics
Riga – Den kleinen Hunger stillten sie mit Pizza direkt nach dem Spiel. Den großen Appetit aber wollen sie am Sonntag mit Gold lindern: Deutschlands goldene Generation an Basketballern greift nach dem zweiten Titel bei einer Europameisterschaft. Nach 20 Jahren steht das DBB-Team wieder in einem EM-Finale. Zuletzt triumphierte es 1993 in München. Die Tour diesmal führt über Riga, Lettland. Dort bezwangen sie Außenseiter Finnland 98:86. „Vorher haben wir gesagt, dass wir für Gold spielen wollen. Jetzt sind wir da“, sagt Dennis Schröder. Gegner im Finale: die Türkei, die Griechenland 94:68 vom Parkett fegte.
Sie spielte gegen einen nicht ganz perfekt gearteten Klon ihrer selbst. Die Finnen führen annähernd das gleiche Theater auf, nur sind ihre Interpreten nicht so talentiert, NBA-Legionär Lauri Markkanen und Mikael Jantunen, die beiden eierlegenden Wollmilchsäue in Übergröße einmal ausgenommen: Sie drücken auf die Tube, werfen enorm viele Dreier – und trafen in Achtel- wie Viertelfinale unnatürlich viele davon. Die Deutschen mussten nicht allzu große Furcht vor ihren Ebenbildern aufbringen, sondern nur die ihnen bekannten Kniffe eindämmen. Nach holprigem Start – 4:11 lagen sie nach vier Minuten hinten – gelang das dank der Liebe zu den Details. Die Schützen der Finnen bekamen keinen Zentimeter zu viel Raum. Beim Rebound packten Theis und Co. mit einer Biestigkeit zu, dass es einschüchternd wirkte auf die braven Finnen, die nicht wie die gewieften Slowenen in der Lage sind, so ein Duell in den Dreck zu ziehen – und so ein Talentdefizit aufzuwiegen.
Ihnen war anzumerken, dass sie ihre ersten Schritte auf dieser Bühne taten. Kleine Momente vermasselten sie und schadeten sich damit selbst. Deutschland kam Ende des ersten Viertels in Laufen, zog bis auf 19 Punkte Vorsprung davon. An diesem Punkt hatten die Finnen die Partie bereits verloren.
Ihnen gegenüber stand schließlich die europäische Basketball-Macht der 2020er Jahre, die stilprägend ist für dieses Jahrzehnt. Ihr Anführer ist Dennis Schröder, der über die Jahre an Resilienz und Reife zugenommen hat. Die Slowenen schafften es noch, seinen Eigensinn herauszulocken. Gegen Finnland aber trat er als Maestro des Teamspiels auf, setzte seine Kollegen mit zwölf Vorlagen (samt 26 Punkten) ein, ein Rekordwert in einem EM-Halbfinale. „Wir können uns auf ihn verlassen“, lobt Ersatz-Bundestrainer Alan Ibrahimagic. Franz Wagner, der Co-Chef, hat die Stufe Superstar erreicht, die davor nur Dirk Nowitzki erklommen hatte. In Szenen, in denen sein Team dringend Pünktchen braucht, quetscht er sie irgendwie heraus.
Drumherum florierte das ganze deutsche Ökosystem, das wie ein Brunch unter Freunden aussieht. Jeder bringt mit und ein, was er am besten zubereiten kann. Center Theis, die große Konstante des Turniers, hielt die Finnen vom Korb fern. Johannes Thiemann tänzelte elegant zu seinen Körben. Isaac Bongas Tentakelarme beeinflussten die Flugkurve diverser Bälle. Tristan da Silva hielt mit seinen Dreiern den Abstand stets im beruhigenden Bereich. ANDREAS MAYR