Ein nicht gegebener Platzverweis erhitzte die Gemüter – und hinterher stellte sich der Trainer des TSV hin und klagte über Fehlentscheidungen, die sich wie ein roter Faden durch die Saison zögen. Die hätten auch am Sonntag „das ganze Spiel durcheinander gemacht“. Ein Klagelied, das man im 1860-Kosmos häufig gehört hat, speziell in der zurückliegenden Saison. Der feine Unterschied: Diesmal war es der gegnerische TSV, der seinem Schiedsrichterärger Luft machte. Die Löwen dagegen konnten ganz gut leben mit dem Spielverlauf gegen Havelse, der zu einem weiteren Last-Minute-Sieg führte. Zwar sah Kevin Volland kurz vor Schluss (berechtigt) Gelb-Rot, doch eine tiefrote Karte gegen Florian Niederlechner, die stecken blieb, hätte den Verein härter getroffen.
Was für eine Entwicklung! Eben noch nicht gegebene Elfmeter, grenzwertige Karten und umstrittene Gegentore. Schon in der Hinrunde 2024/25 hatte Sportchef Christian Werner geklagt, dass Fehlentscheidungen 1860 unzählige Punkte und einen Fast-Aufstiegsplatz gekostet hätten. Diese Saison dagegen: Beim Start in Essen traf Niederlechner aus abseitsverdächtiger Position – ebenso Volland beim ersten Heimsieg gegen Osnabrück. Auch die schwachen Schiedsrichter-Entscheidungen am Sonntag fielen eher so aus, dass man als TSV Havelse einen Hals hatte. Dass dann noch serienweise späte Tore dazu kommen, die bereits für fünf glückliche Zusatzpunkte sorgten, passt zum Momentum, das die Löwen auf Platz zwei der Drittligatabelle gespült hat. Ausgleichende Gerechtigkeit? Könnte man meinen, aber natürlich ist beim aktuellen 1860-Hoch auch ganz viel Psychologie im Spiel.
Die Kurzfassung: Wenn’s läuft, dann läuft’s! Die etwas längere: Die Löwen haben sich ein Image erarbeitet, das auch (unsichere) Schiedsrichter in der 3. Liga beeinflussen kann. Die bodenständigen Zugpferde Volland/Niederlechner. Der Sportchef mit seinem Kloppo-Lächeln. Dazu der frisch wirkende Trainer Glöckner, der für jeden ein freundliches Wort hat. Auch vereinspolitische Aufreger wie der geplatzte Investorendeal werden unter neuer Führung geräuschlos abmoderiert. 1860 wird jetzt als sympathischer Kultclub wahrgenommen, weniger als notorischer Chaosverein. Und in einem positiven Fahrwasser, jeder kennt das aus seinem eigenen Leben, ist die Ausstrahlung eine ganz andere – eine, die Türen öffnet, sogar die zum Erfolg.
Nörgler könnten jetzt einwenden: Aber der Fußball sollte souveräner sein! Und wie nachhaltig ist es, auf glückliche Fügungen wie späte Tore zu vertrauen? Klar: Schon am Mittwoch in Rostock könnte es schiefgehen. Gegenthese: Die Erfolgsserie, die auf einem starken Kader basiert, kann auch einfach weitergehen. Es spricht jedenfalls nicht dagegen, wenn Löwen-Fans einfach mal positiv bleiben – und eine Hochphase genießen, wie es sie lange nicht gegeben hat.