„Naiv“ ist noch untertrieben

von Redaktion

Wie in Turin aus dem 4:2 ein 4:4 werden konnte, beschäftigt den BVB

Niko Kovac mit Juve-Akteur Dusan Vlahovic. © IMAGO

Geliefert wie befohlen: Karim Adeyemi eröffnete die Toreshow. © IMAGO

Zuständigkeitsstreit: Bensebaini (l.) und Guirassy vor der Ausfährung des Strafstoßes. © IMAGO/DeFodi

Es ist der letzte Eindruck, der bleibt: Die Dortmunder ließen Juventus noch zum Ausgleich kommen – durch zwei Treffer in der Nachspielzeit. © AFP/MARCO BERTORELLO

Dortmund – Die Profis von Borussia Dortmund hatten diese aberwitzige Schlussphase noch nicht ansatzweise verdaut, als Sebastian Kehl und Niko Kovac bereits wortreich zu erklären versuchten, was nicht zu erklären war. Wie hatte der BVB den sicher geglaubten Sieg bei Juventus Turin tatsächlich noch herschenken können? Wie bitte schön konnten in diesen fatalen letzten Sekunden wirklich noch zwei Gegentore fallen?

„Die bittere Erkenntnis“ nach einem Spiel, in dem der BVB bis kurz vor Schluss mit 4:2 geführt hatte, aber dann doch nur ein 4:4 (0:0) holte, sei, dass sich Dortmund „ein wenig naiv“ angestellt habe, analysierte Sportdirektor Kehl. Diese Ausführungen aber waren eine massive Untertreibung. Dortmund hatte einen bereits geschlagenen Gegner zu Toren in der vierten und sechsten Minute der Nachspielzeit förmlich eingeladen. Mit leichten Ballverlusten und allzu lässigem Auftreten – und indem die Spieler die Vorgaben ihres Trainers missachteten.

Der Bereich rund um den eigenen Strafraum sei eine „No-Play-Zone“, da müsse man den Ball zur Not wenig ästhetisch wegschlagen. Doch die Spieler setzten das nicht um – und bekamen die späte Quittung. Zunächst patzte Ramy Bensebaini, der sich zuvor auch noch mit Serhou Guirassy um die Ausführung des Elfmeters zum 4:2 für den BVB gestritten hatte. Er schenkte den Ball her, die anschließende Flanke wuchtete Dusan Vlahovic ins Tor. Aber zu diesem Zeitpunkt lag der BVB ja noch immer vorne, was aber tatsächlich nicht genügte: Lloyd Kelly traf den BVB ins Mark – und ein toller Champions-League-Auftakt verkam zu einem mäßigen.

„Abgeklärter“, „abgewichster“, ein „bisschen cleverer“, ein „bisschen dreckiger“ hätten sie sein müssen, haderte Torhüter Gregor Kobel, der sehr deutliche Worte fand: „Es geht darum, dass du dir einfach der Gefahr bewusst bist, was passieren kann, weil die haben Qualität, es geht schnell dann.“

Wenngleich die Protagonisten viele kritische Nachfragen beantworten mussten und Kobel schimpfte, sei dieses Unentschieden gewiss „kein Rückschritt“, versicherte Kehl: „Auch wenn sich das nach den letzten Minuten ein bisschen quer anhört, bin ich mit der Leistung der Mannschaft zufrieden.“ Der BVB habe „viele Sachen richtig gut gemacht“ und werde „diesen Weg auch konsequent weitergehen“.

Auch Trainer Kovac lobte sein Team für eine „tolle Leistung“ und befand, dass nur die letzten zwei Minuten den guten Eindruck trübten. „Wenn man hinfällt, muss man wieder aufstehen beziehungsweise die Lehren daraus ziehen“, sagte Kovac: „Wir hätten es normalerweise anders zu Ende gespielt. Haben wir nicht, das ist das Ärgerliche. Aber trotzdem, ich bleibe dabei: Das war bis zur 94. Minute eine sehr, sehr reife Mannschaftsleistung. Das gefällt mir, das müssen wir weiter zeigen.“

Auch auf St. Pauli missriet das Ende

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der BVB nun schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen eine sichere Führung verspielte. Bereits beim Bundesliga-Auftakt auf St. Pauli hatten zwei späte Gegentreffer zum Punktverlust geführt (3:3 nach 3:1), in Turin war der Verlauf aber noch bitterer.

„Fehler werden bestraft, auf dem Level noch mehr als sonst. Das müssen wir wissen“, sagte Kobel. Sollte der BVB die K.o.-Phase der Champions League erreichen, gelte diese Warnung noch mehr. „Das ist einfach etwas, was man dazulernen muss“, forderte der Schweizer: „Ich hoffe, dieses Spiel war eine schöne Möglichkeit, sich das zu Herzen zu nehmen für die Zukunft.“ SID

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