Hoffenheim – im Fußball neuerdings das Synonym für einen (internationalen) Underdog. Das Copyright darauf hat Uli Hoeneß, dessen auf dem höchstpreisigen Transfermarkt abgehängter FC Bayern mal eben das Original eingenordet hat (4:1, Kane-Dreierpack). Stadtrivale TSV 1860 hatte es zeitgleich mit Hoffenheims Zweitvertretung zu tun – und ist beim Heim-1:5 so auseinandergenommen worden wie einst die Wiesn-Hendl in Karl-Heinz Wildmosers „Hühner- und Entenbraterei“. Eins-zu-fünf gegen einen Aufsteiger! Gegen zweifellos talentierte Fußballer, die aber weit entfernt davon sind, ein FC Bayern der 3. Liga zu werden. Höchste Heimpleite, die Mannschaft planlos, der Trainer ratlos. Das Bild, das die Löwen schon beim 1:2 in Rostock boten, schreit nach einer Reaktion, die über das Ankündigen einer „knallharten Analyse“ hinausgehen muss.
Glöckner gab den Hoffenheim-Verlierern zwei Tage frei. Für Dienstag kündigte er zwei Trainingseinheiten an – vor dem Pflichttermin im Hackerzelt. Ob er selber das Team dann noch anführen wird, erscheint seit dem Schießbuden-Auftritt zum Wiesn-Start mehr als fraglich. Die „Kein Kommentar“-Äußerung von Sportchef Christian Werner lässt sich nur so interpretieren, dass sich der aus seinen Aufstiegsträumen gerissene Verein alle Optionen offen halten will, ehe mit zwei Tagen Abstand die Vorbereitung auf die nächste Englische Woche beginnt.
Spätestens mit den Spielen in Aue (Samstag), gegen Köln (Mittwoch) und in Wiesbaden (Wiesn-Kehraus) wird die Liga so viel Fahrt aufnehmen, dass sich Tabellenbilder in der Folge nicht mehr so leicht korrigieren lassen. Noch sind die Löwen punktemäßig halbwegs im Soll – zwei Last-Minute-Siege (Aachen, Havelse), die dafür sorgten, haben dem Verein emotionale Eruptionen beschert, aber womöglich auch den Blick auf manch unbequeme Wahrheit verstellt. Die Spielidee, die Glöckner zusammen mit Werner ausgetüftelt hat: Auf dem Papier zu erahnen (Ballbesitz im 3-5-2), von der Mannschaft aber so interpretiert, wie es Kevin Volland in erfrischender Ehrlichkeit skizzierte: „Wir standen tief, hoch, haben die Bälle nicht an den Mann gebracht, hatten keine Verbindung – und keine Zweikampfhärte.“ Übersetzt: Alles, was Profifußball ausmacht, hat 1860 vermissen lassen – trotz der immensen Erfahrung auf dem Platz. Zur Erinnerung: Der Kader wurde nicht nur von sämtlichen Experten, sondern auch von den führenden Buchmachern als aufstiegsreif eingestuft. Ob Glöckner der Trainer ist, der das Potenzial noch wecken kann? Die Zweifel wachsen mit jedem hilflosen Auftritt.
Kurzum: Man ist bei den Löwen schon für weniger entlassen worden als für eine Tracht Prügel zum Wiesn-Start. Werner Lorant seinerzeit zum Beispiel für eine 1:5-Derbyniederlage gegen den FC Bayern (2001), der damals noch gar nicht wusste, wo Hoffenheim auf der Fußballlandkarte einzuordnen ist.