Die Liste war lang, es standen prominente Namen darauf, doch ein Kandidat nach dem anderen sagte den Löwen ab. Gut zwei Wochen ist es nun her, dass 1860 mit 1:5 unter die Räder kam – und in der Folge begann, den Markt nach Alternativen zu Patrick Glöckner abzugrasen. Leicht war das schon damals nicht für Christian Werner, der immerhin den Vorteil hatte, einen Trainer für eine Aufstiegsmission zu suchen. Jetzt, drei weitere Enttäuschungen später, sucht 1860 immer noch, bloß ohne die aktuellen Kontakte eines Sportgeschäftsführers – und nach den Eindrücken vom Sonntag auch ohne Aufstiegsperspektive.
Das 0:1 von Wiesbaden fügt sich nahtlos ein in die Reihe von Gruselauftritten, die bei 1860 eine von Last-Minute-Glück und Adrenalin geprägte Saisonanfangsphase ablösten. Hier noch mal, auch wenn’s der Löwen-Seele wehtut, die Ergebnisse des Grauens seit der 3:2-Eruption gegen Havelse: 1:2 in Rostock, besagtes 1:5 gegen Hoffenheim, 0:2 in Aue, 2:2 gegen Köln – und das trostlose 0:1 von Wiesbaden, bei dem die Gastgeber spät, aber verdient ihren 23. (!) Torabschluss ins Ziel brachten. Sportlicher Akut-Befund: Vorne harmlos, im Mittelfeld ideenlos, hinten wacklig. Kaum zu glauben, dass das dieselben Löwen sind, die mit einer Vorzeige-Vorbereitung für eine lange nicht erlebte Aufbruchstimmung sorgten. Okay, ganz dieselben Löwen sind es nicht: Der Ausfall der Achsenspieler Dähne-Verlaat-Volland wiegt schwer. Trotzdem müsste auch mit dem vorhandenen Personal mehr möglich sein als ein Punkt aus fünf Spielen.
Die Frage ist: Wer will sich diese Löwen noch antun? Präsident Gernot Mang, dem der Frust ins Gesicht geschrieben steht, ist um seine Aufgabe nicht zu beneiden. Er wünscht sich, Begriffe wie Krise, Chaos und Absturz nicht mit 1860 in Verbindung zu bringen, doch das momentane Auftreten – auf und neben dem Platz – lässt kaum ein milderes Urteil zu. Platz 13, die Direktaufstiegsplätze schon acht Punkte entfernt, vier leitende Positionen unbesetzt (CEO, Sportchef, technischer Direktor, Cheftrainer). Schon jetzt zeigt sich, dass der Doppelrauswurf nach Aue überstürzt war, eine normale Trainer-Freistellung hätte gereicht. So jedenfalls läuft der Verein Gefahr, nach der Englischen Woche auch noch den strategischen Vorteil der Länderspielpause herzuschenken. Bei einem wirklich „wohl überlegten Schritt“ (Mang) wäre der Glöckner-Nachfolger spätestens gestern auf dem Platz gestanden. Stattdessen: „Wir hoffen, dass wir bis Ende der Woche einen neuen Trainer an der Seitenlinie haben“ (Mang im BR).
So bitter es klingt: Die Löwen sollten einen Trainer suchen, der sich mit Abstiegskampf auskennt – und froh sein, wenn sie einen finden, der die selbstzerstörerischen Kräfte, die diesen Verein umgeben, noch irgendwie stoppen kann.