„Was war das für ein Gefühl?“ wird heutzutage gar nicht mehr so oft gefragt. Vor Kameras lautet die fürsorgliche Erkundung nach dem Befinden der Sportler nun „Wie erleichtert sind Sie, dass…?“, was ja stets zur Antwort „Sehr erleichtert“ führt. Mit einer sich nähernden Fußball-Weltmeisterschaft wird der Kanon der Standardfragen erweitert: „Wäre es nicht wichtig, dass sich eine Mannschaft findet und eine erste Elf einspielt?“ Auch die Experten befeuern die These und fordern: Ab sofort nicht mehr viel ändern.
Es ist eine riesige Quatschdiskussion.
Das erklärt sich schon beim Blick auf die Spieler, die gerade im Verletztenstand sind. Selbst wenn es in der Nationalmannschaft mit einem wiederentdeckten Serge Gnabry gut läuft, so wird Jamal Musiala die bessere Option sein, wenn er wieder spielen kann – und Julian Nagelsmann wird ihn nicht draußen lassen, weil die WM-Qualifikation ohne ihn gelungen ist. Oder in der Sturmspitze: Man muss sich für die WM noch nicht auf Nick Woltemade festlegen, wenn auch Kai Havertz und Tim Kleindienst zur Verfügung stehen können. Julian Nagelsmann muss im Oktober auch noch nicht die endgültige Kimmich-Lösung präsentieren, er hat sich schon oft genug umentschieden, als dass man eine ultimative Festlegung noch für seriös halten würde.
Eine Nationalmannschaft wird immer zur Improvisation gezwungen sein. Das ergibt sich schon aus dem Kalender, der sie immer nur kurz und mit langen Abständen (demnächst: November bis März) zusammenkommen lässt. Sie muss, wenn sie selbst nicht ernsthafte Wettbewerbsspiele zu bestreiten hat, auch Rücksicht nehmen auf die Belange der Clubs.
Der Blick in die DFB-Geschichte zeigt: Es waren stets besondere Turniere, vor oder in denen alles umgeworfen werden musste. 2002 Vizeweltmeister, nachdem Sebastian Deisler und Jens Nowotny ausgefallen waren. 2010 begeisternder Dritter ohne Michael Ballack – und man glaubte, man sei verloren, könnte er nicht das deutsche Spiel führen. Seien wir ehrlich: Eigentlich langweilt es uns, wenn ein Team schon früh Formen annehmen würde. Wir lieben die Veränderung, gerne die aus dem Nichts. Wenn die Nominierung des Kaders näher rückt, fahnden wir tagelang nach dem möglichen Senkrechtstarter, dem Akteur aus dem Nichts. Um ihn dann zu fragen, wann er’s erfahren und ob er die Nummer des Bundestrainers erkannt habe. Wir wollen, dass der Fußball auch diese Geschichte immer wieder schreibt.