Sainz-Freundin Donaldson (l.) wird häufig abgelichtet.
Regt sich auf: Carlos Sainz. © Potts/Alonso/Imago
München – Produziert die Formel 1 mehr Dschungelcamp als echten Sport? Viele Fahrer, unter anderem Weltmeister Max Verstappen (28), der deshalb sein Mitwirken sowohl an der F1-Netflix-Doku „Drive to survive“ als auch am Formel-1-Film mit Brad Pitt verweigerte, sehen das so. Was viele Piloten denken, sprach jetzt der spanische Ex-Ferrari-Pilot Carlos Sainz junior (31) aus. Der Sohn der gleichnamigen Rallye-Legende wirft den Produzenten der Fernsehbilder vor, den Fokus immer häufiger auf Prominente und Fahrerfreundinnen zu richten – statt auf das, worum es eigentlich geht: das Racing auf der Strecke.
Nach seinem spektakulären Comeback beim Großen Preis von Singapur, wo Williams-Pilot Sainz trotz Start von ganz hinten noch auf Rang zehn fuhr, platzte ihm jetzt der Kragen. Denn die TV-Regie zeigte kaum etwas von seiner Aufholjagd – stattdessen immer wieder die Reaktionen von Pseudo-Stars und Sternchen im Fahrerlager – unter anderem wurde immer wieder seine Lebensgefährtin eingeblendet, die in der Williams-Box das Geschehen verfolgte.
„Letztes Wochenende haben sie keines der vier von fünf Überholmanöver gezeigt, die ich am Ende gemacht habe. Auch Fernandos (Alonso) harter Kampf mit Lewis (Hamilton) wurde nicht gezeigt“, schimpfte der Spanier beim Radiosender El Partidazo de COPE. „Sie haben eine Menge Dinge verpasst. Es scheint ein Trend zu werden – Prominente, Freundinnen, Reaktionen. Früher hat das vielleicht funktioniert, aber jetzt übertreiben sie.“
Sainz betonte, er habe grundsätzlich Verständnis dafür, dass Produzenten Emotionen einfangen wollen: „Ich verstehe, dass sie bei einem spannenden Moment eine Reaktion zeigen möchten. Aber nur, wenn der Wettbewerb respektiert wird und man die wichtigen Szenen des Rennens trotzdem zeigt.“
Ein Sprecher der Formel 1 wies die Vorwürfe angesäuert zurück: „Wir konzentrieren uns darauf, unseren Fans die bestmöglichen Aufnahmen des Rennens zu bieten und den Hauptfokus – das Geschehen auf der Strecke – niemals zu vernachlässigen“, erklärte der Vermarkter. „Unser Team leistet hervorragende Arbeit bei der Berichterstattung über eine hochkomplexe Situation mit mehreren Autos an verschiedenen Punkten einer Strecke und liefert zudem großartige Kontextmomente mit Fans, Gästen und den Austragungsorten.“
Das Problem: Seit dem Netflix-Erfolg „Drive to Survive“ hat die Formel 1 eine riesige neue Fanbasis gewonnen – und mit ihr auch ein wachsendes Interesse an den Persönlichkeiten abseits der Strecke. Promis aus aller Welt strömen zu den Grands Prix, um sich in der Boxengasse oder VIP-Lounge zu zeigen. Doch für die Fahrer ist der Hype zu viel. „Manchmal sind so viele VIPs im Fahrerlager, dass man nicht einmal laufen kann“, so Sainz. „Wir bewegen uns dort mit Fahrrad oder Roller fort, weil man sonst gar nicht durchkommt.“
Nächstes Wochenende in Austin im US-Bundesstaat Texas können Sainz und Co. wieder ihren Roller auspacken. Dann kommt es zum nächsten TV-Duell zwischen Entertainment und hartem Wettbewerb auf der Strecke.RALF BACH