Statt Gaskesseln soll auch die Hauptwärme bis 2026 mit Wärmepumpen erzeugt werden. © Ducke
Arena-Chef Jürgen Muth. © Lindenthaler/Imago
Neue Dächer rund um die Allianz Arena? Aber bitte mit Photovotaik! © FCB
München – Wer am Wochenende die Allianz Arena passierte, konnte ein buntes Spektakel sehen: Im Rahmen der Bayerischen Klimawoche erleuchtete das Heimspiel-Stadion des FC Bayern zwei Mal in sogenannten „Klimastreifen“. Eine Visualisierung, die zum Nachdenken anregen soll – und ein sichtbares Zeichen. Im Interview spricht Arena-Chef Jürgen Muth über Energie-Konzepte, Nachhaltigkeit und die Besonderheit in der Spielkabine des FC Bayern.
Herr Muth, 20 Seiten hat das Energie-Konzept der Allianz Arena. Eine Powerpoint-Präsentation, auf die Sie besonders stolz sind?
Grundsätzlich mag ich lange Powerpoint-Präsentationen nicht besonders. Aber der Umfang von 20 Seiten zeigt mir, dass in den letzten Jahren viel passiert ist und wir auch für die Zukunft viel planen. Jede Idee, die unser Team hat, diskutieren wir, viele setzen wir um. Wir können diese Arena auch nach 20 Jahren noch regelmäßig optimieren.
Gibt es das Motto „schneller, höher, weiter“ auch beim Thema „grünes“ Stadion?
Wir machen nicht Nachhaltigkeit um der Nachhaltigkeit Willen. Es muss schon einen Hintergrund geben. Einer davon ist, dass in der Arena auch die eine oder andere technische Anlage aus nachvollziehbaren Gründen immer wieder mal ein Update bekommt. In den letzten 20 Jahren haben sich natürlich neue Technologien entwickelt. Bessere, oft nachhaltigere. Es gibt viel Potenzial.
Müsste die Arena mit Blick auf das bisher Umgesetzte hell-, mittel- oder dunkelgrün leuchten?
Wir sind auf jeden Fall schon sehr grün. Bestes Beispiel: Die LED-Beleuchtung an der Außenfassade benötigt nur einen Bruchteil an Strom, den zuvor die Neon-Röhren verbraucht haben. Bei anderen Maßnahmen hingegen ist nicht die Einsparung im Fokus, sondern die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern. Es geht nicht ausschließlich um den wirtschaftlichen Vorteil.
Ist das Feld eines der unbegrenzten Möglichkeiten?
Es gibt klare Grenzen. Wir nähern uns bei manchen Begebenheiten dem Punkt, an dem man sagt: Wenn du jetzt nochmal einen wesentlichen Schritt machen willst, hast Du vielleicht zwei bis fünf Prozent Verbesserung, investierst aber dasselbe wie für die 30 Prozent davor. Unendlich ist das nicht möglich. Und autark können wir auf unserem Grundstück niemals sein. Weil wir den Strombedarf in der Spitze am Spieltag nicht stemmen können.
Was ist denn der größte Energiefresser in der Allianz Arena?
Die Gastronomie. 75 000 Menschen zu versorgen – da wird eine Menge gekocht (lacht). Aber natürlich auch die weiteren technischen Systeme, insbesondere zur Belüftung und Klimatisierung.
Fangen wir also von vorne an: Die Photovoltaikanlage auf dem Gästeparkhaus steht seit 2020 – ist sie so gut, dass man gleich weiter auf Photovoltaik setzt?
Weil wir bei unserer Arena, kein Dach haben, auf dem wir eine Photovoltaikanlage errichten können, hat uns der Bau des Gästeparkhauses doppelt gefreut. Die Anlage schafft fast 900 KWp, damit erzeugen wir fast den Grundstrom, den wir Tag für Tag in der Arena brauchen. Das ist eine Menge.
Seit dieser Saison ist die Vorkontrolle Süd auch überdacht – und mit Photovoltaik ausgestattet.
Uns hat die Idee von Beginn an begeistert, weil wir dort ein Dach gebaut haben, das man auch nutzen kann. Nun steht niemand mehr bei Schnee oder Regen ungeschützt an – und obendrauf wird Energie erzeugt. Bei diesem Projekt stand der „Return-on-Invest“ nicht im Vordergrund, sondern explizit die Förderung der Nachhaltigkeit. Ich stelle mir seit dem Bau immer einen Segelflug über die Arena vor…
… mit welchem Ausblick?
Von Süden kommend fliegt man über die Esplanade, sieht die PV-Anlage, blickt nach oben – und sieht die Windanlage auf dem Fröttmaninger Berg. Die gehört uns nicht, aber passt gut ins Bild.
Richten wir den Blick nach Innen – auf die Wärmepumpen für die Rasenheizung.
Die Technik der Arena ist 20 Jahre alt. Unsere Heizkessel sind unter dem Dach – und wir hatten eine zentrale Wärmeversorgung für das gesamte Haus inklusive Rasen. Wir wollten weg von den fossilen Energieträgern, weg vom Gas. Da war der Rasen gut abzukoppeln.
Statt Gaskesseln soll auch die Hauptwärme bis 2026 mit Wärmepumpen erzeugt werden.
Ein Mega-Projekt, denn es greift in die gesamte Infrastruktur der Allianz Arena ein. Das hatten wir in den letzten 20 Jahren noch nie! 19 Booster-Wärmepumpen wurden dafür unter anderem in der Arena installiert. All das läuft nebenher, so gut wie jeden Tag. Und wir können somit auch einen kleinen Geburtsfehler der Allianz Arena beheben. Alles hing bisher an zwei Wärmekesseln, kilometerlang wurde warmes Wasser durchs Haus gepumpt. Mit der neuen Wärmeversorgung werden wir auch Energie sparen, weil wir uns bei der Versorgung auch auf bestimmte Bereiche konzentrieren können.
Im Spielerbereich wird mit Wärme aus den Serverräumen geheizt, in der Küche mit Hitze aus Gewerbekälte gekocht, im Trinkwasser wird Kalk ohne Chemie rausgefiltert. Hört sich nach besonders kreativen Lösungen an?
Sind sie auch. Die Abwärme, die wir in den IT-Räumen haben, kommt zur Mannschaft, die aus den Kühlzellen wird in der Küche genutzt. Und das Wasser wird tatsächlich ohne Chemikalien aufbereitet. Alles gute Investitionen auch im Sinne der Nachhaltigkeit.
Auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur läuft stetig. Wie hoch ist denn die Nachfrage?
Beim Thema Elektromobilität bin ich zugegeben kritisch, weil wir der stetig steigenden Nachfrage leider auch in der Zukunft nicht gerecht werden können. Bereits Ladestationen an 5 % unserer Parkplätze würden mehr Strom benötigen als unser aktueller Spitzenbedarf. Nichtsdestotrotz haben wir 55 Ladestationen und sind damit deutschlandweit führend im Fußballstadion-Vergleich.
500 elektrische Busse zusätzlich sollen ab 2026 geladen werden können.
Wir bauen einen der ersten Ladeparks in Europa für Busse und Lkw, der am Ende 42 Ladepunkte haben kann. Wir sind – wie viele andere Stadien – dafür prädestiniert, weil wir viel Platz, eine gute Lage und viel Strom haben. Mit vier Ladepunkten gehen wir heuer in Betrieb, sie werden stetig erweitert. Es gibt Berechnungen, dass wir täglich bis zu 500 Ladevorgänge schaffen können.
Hört sich nach Weiter, immer weiter an. Wo ist die Arena denn wirklich 20 Jahre alt?
In meinem Büro (lacht). Der Tisch ist sogar noch von der Baustelle – und an dem hänge ich. Spaß beiseite: Potenzial ist beim Thema Abfall und Mehrwegsystem. Auch das Thema Wasser kann noch optimiert werden. Wir haben genügend Ideen. Priorität eins aber hat immer die Sicherstellung des Betriebs. Fertig ist ein Stadion nie, wir müssen auch mit der Zeit gehen. Sagen wir es so: Es gibt aktuell keine „Must Haves“, aber viele „Nice to haves“.
Spielen Sie doch mal „Wünsch Dir was“!
Ein zweiter ÖPNV-Anschluss, z.B. mit einer Verlängerung der bisher nur bis Freimann geplanten neuen Tramlinie. So würden wir Fans vom Auto wegbringen. Und eine App, die dem Gast sagt: „Jetzt brauchst Du keine 30 Minuten mehr, um aus dem Parkhaus zu kommen.“ Mit dieser Echtzeitmessung könnte die Zeit in der Arena nach Spielschluss noch besser genutzt werden. Und wenn wir dann hier noch mehr Angebote für alle Altersgruppen schaffen – dann wäre es mehr als perfekt.
INTERVIEW: HANNA RAIF