Kurz nach der Halbzeit entrollten die Südkurven-Fans ihre Protest-Plakate. © Weber/IMAGO
In aller Munde: Bald-Hospitant Boateng. © IMAGO
München – Ob es Zufall war oder Kalkül: Das Timing war gut. Denn während er am Samstagabend in der Allianz Arena in aller Munde war, postete Jerome Boateng ein Video vom Champions-League-Finale 2013. Damals leitete er mit einem langen Ball in Wembley den Siegtreffer ein. Und jetzt, zwölf Jahre später, soll es ihm wirklich nicht mal erlaubt sein, seinem alten Kumpel Vincent Kompany für ein paar Tage über die Schulter zu schauen und an der Säbener Straße zu hospitieren?!
Genauso ist der Fall gelagert, der schon unter der Woche köchelte und am Rande des 2:1 im Topspiel gegen Borussia Dortmund hochgekocht ist. Die Meinung der Südkurven-Fans war ab der 47. Minute klar. „Wer dem Täter Raum gibt, trägt seine Schuld mit – Boateng, verpiss dich!“, „Kein Platz für Charakterschweine in unserem Verein – Kein Platz mehr für Boateng!“ und „Keine Bühne für Täter. Verpiss dich Boateng!“ war auf drei Transparenten zu lesen. Die Wortwahl war derbe, die Botschaft aber klar: Die Anhänger beziehen sich mit ihrem Protest darauf, dass Boateng 2024 vom Landgericht München I wegen vorsätzlicher Körperverletzung an einer Ex-Freundin schuldig gesprochen und verwarnt worden war.
Ein „komplizierter Fall“, wie Jan-Christian Dreesen später zugab. Aber der CEO versicherte, was die Verantwortlichen unisono in die Mikrofone und Blöcke der Journalisten diktierten: dass die Bayern-Familie niemanden fallen lässt. „Ich finde, jeder Mensch hat eine Resozialisierung verdient“, sagte er und gab die Empfehlung, „das Urteil in seiner Gesamtheit zu lesen“. Boateng bestreitet, jemals eine Frau geschlagen zu haben. Dass selbst diese „paar Tage“ vor den Ultras schwer zu rechtfertigen sein werden, ist seit Samstag klar. Und dennoch waren alle Beteiligten bemüht, die Brisanz aus dem Thema zu nehmen. „Dass einer drei, vier Einheiten schauen darf, sich selber ein bisschen ausbildet, das ist kein großes Thema“, sagte Kompany, der den Spalt für Hospitant Boateng selbst aufgemacht hatte. Der Coach erklärte zudem: „Wir haben im Jahr 20 Leute, die beim Training zuschauen.“ Sportvorstand Max Eberl stellte klar: „Es geht nicht um eine feste Position beim FC Bayern.“
Auch als 2023 eine Verpflichtung als Aktiver im Raum stand, waren die Proteste enorm. Dass Boateng zweimal die Champions League gewann und neunmal Meister mit Bayern wurde, galt damals wie heute nicht als Argument. Aber Dreesen sagte: „Wir schreiten nicht ignorant durchs Leben.“H. RAIF, M. BONKE