Raus mit der Freude! Matchwinner Sigurd Haugen am Sonntagabend in der Fankurve. © Imago / Kolbert-Press
Überflieger aus dem hohen Norden: Doppelpacker Haugen (28, Norwegen). © IMAGO
München – Es war, als hätte Sigurd Haugen (28) stille Energiereserven gehabt, unfreiwillig zurückgehalten in Wochen des Reservistenfrusts. Als der eingewechselte Patrick Hobsch einen schlauen Steilpass spielte, zündete sein Sturmpartner den Turbo. Umzingelt von fünf Duisburgern wählte Haugen die schnörkellose, aber anspruchsvolle Variante: Ab durch die Mitte! Vorbei an Fleckstein, der den Ball nicht weggegrätscht bekam, vorbei auch an Torhüter Braune, der sich ihm entgegenwarf. Der Winkel war jetzt spitz, aber der Wille von Haugen groß genug. Er wollte dieses Tor so sehr wie das 1:0 vor der Pause, bei dem er seinen Fuß in einen Deniz-Schuss gehalten hatte.
Eine Energieleistung, dieses 2:1 für die Löwen. Haugen breitete die Arme aus – genauso wie Markus Kauczinski, der wie vom Blitz getroffen durch die Coachingzone flog. „Hinter uns lagen schwierige Wochen“, kommentierte der Matchwinner: „Ich hoffe, das war heute ein Wendepunkt. Das Tor war einfach zu machen für mich. Ich bin sehr, sehr glücklich. Es ist, als wenn du 100 Mal anrennst und drückst – und beim 101. Mal kriegst du endlich etwas zurück.“ Das 3:1 kurz darauf folgte ebenfalls aus einer Kontersituation: Pass von Joker David Philipp, Thore Jacobsen auf und davon. Ein schöner, da wichtiger Sieg für das gebeutelte 1860-Team (zuvor fünfmal ohne Dreier). Kauczinskis Plan ging auf – seine Löwen hatten am Ende mehr Siegeswillen als der bis Sonntag ungeschlagene Tabellenführer.
Doch wer weiß, wie der Abend geendet hätte, wäre Haugen nicht vom Anpfiff weg wie aufgedreht durch die MSV-Reihen gestürmt? Da hatte sich was aufgestaut, das war unverkennbar. Kurze Rückblende: Haugen ist der Stürmer, den Ex-Sportchef Christian Werner dem Ex-Trainer Patrick Glöckner als i-Tüpfelchen serviert hatte. Sein Kader war fast fertig gebaut, nur ein Sturmblitz mit Highspeed fehlte noch. Bei Noah Ganaus (24, damals Regensburg), der aktuell mit Odense die dänische Superliga aufmischt, war 1860 zu spät dran. Haugen schien eine Alternative zu sein, die ähnlich gut passt.
Mit zehn Toren und zwei Assists für Rostock hatte sich der Norweger ins Blickfeld gespielt. 1860 zahlte sogar Ablöse für den ehemaligen Erstligaspieler. Jedoch: Als die Saison dann lief und das Spiel bei seinem Ex-Club Hansa Rostock kam – da war Haugens Kredit bei Glöckner schlagartig aufgebraucht. Auswechslung in der Pause, laut Ohrenzeugen wurde es auch laut in der Kabine. Nach diesem Spiel, das den Niedergang der Löwen einleitete (1:2), ist Haugen bei 1860 nicht mehr auf die Beine gekommen. Bei Glöckner flog er aus der Startelf, bei Kayabunar fehlte ihm wie der Mannschaft das Selbstvertrauen. Als sensibler Stürmer hätte der 28-Jährige ein bisschen Starthilfe in München gebraucht. Genau die Starthilfe, die er nun Kauczinski gegeben hat – mit seinem Doppelpack gegen Duisburg, der plötzlich alles bei 1860 ins Positive dreht. „Manchmal ist es so im Fußball“, räsonierte Haugen: „Ich denke, es war ein Neustart für alle. Ich habe einen sehr großen Glauben an die Spieler, den Staff, an den ganzen Verein. Unser Niveau in den letzten Spielen war zu niedrig. Wir müssen uns wieder steigern, uns stabilisieren. Die letzten Wochen waren nicht lustig, aber ich denke, dass wir grundsätzlich eine sehr gute Mannschaft sind.“
Und was sagt der Trainer zum pfeilschnellen Norweger, der ihm einen Traumeinstand beschert hat? Sein enthemmter Jubel nach Haugens zweitem Streich spricht Bände. „Sigurd hat ein mega Spiel gemacht“, lobte Kauczinski: „Ich freue mich total fürs Team. Durch die fünf sieglosen Partien war das nicht leicht für alle. Nach dem 2:1 war es Kampf und Leidenschaft. Am Ende, glaube ich, war der Sieg aber auch nicht unverdient.“ULI KELLNER