Wieder (dr-)in: Abwehrhüne Raphael Schifferl. © IMAGO
München – Ein Kinoabend als Crashkurs für Neulöwen und Spätgeborene. Nicht nur für Markus Kauczinski war die Premiere der Löwen-Doku ein willkommener Anlass, seinen neuen Verein mit all seinen Höhen und Tiefen kennenzulernen. Auch ein Profi wie Raphael Schifferl, bis vor einem Jahr in Haching, verließ das Cincinnati-Kino mit Erkenntnisgewinn. 1860 hat mal zwei Bundesliga-Derbys gegen die Bayern gewonnen? Da schau her! „Vieles wusste ich gar nicht“, sagte der Österreicher: „Auch einige Protagonisten kannte ich maximal vom Hörensagen.“ Schließlich kam der 26-Jährige erst am 29. Juli 1999 zur Welt – zwei Wochen, bevor die Löwen unter Lorant/Wildmoser in ihre erfolgreichste Saison seit den 60er-Jahren gestartet sind.
Als die 400 Ehrengäste am Dienstagabend den Kinosaal verließen, hagelte es Lob für die Filmemacher des BR. Aber auch der Hüne mit den hellblonden Haaren lief gleich mal zwei Bewunderern in den Arm. „Super Spui am Sonntag“, schwärmte Allesfahrer Roman Wöll. „So machst weiter“, rief ein anderer Fan, der Schifferl auf die Schultern klopfte. Löwen-Geschichte studiert, Lob eingeheimst – auch für Schifferl, der keine gute Zeit hinter sich hat, war es ein gelungener Abend.
Rückblende: Kurz vor Weihnachten 2024 zog sich Schifferl eine langwierige Verletzung zu. Erst Ende April war er wieder fit genug für den Kader, in dem er unter Patrick Glöckner allerdings eine Randfigur blieb. Drei Einsätze im Saisonfinale 24/25, drei auch, als die Spätsommerkrise 2025 ihren Lauf nahm. Ein gebrauchtes Dreivierteljahr. Der Trainerwechsel war daher nicht nur für 1860, sondern auch für Schifferl ein Neustart. Beim 3:1 gegen Duisburg spielte er im Zentrum der Dreierkette, grätschte und köpfte gefühlt alles weg. Thomas Dähne hielt 1860 im Spiel, Sigurd Haugen schoss zwei wichtige Tore, viele Beobachter sind sich jedoch einig, in Schifferl einen weiteren Matchwinner erlebt zu haben.
War das sein bestes Spiel für 1860? „Schwör zu sagen“, steierte der Österreicher, „es war auf jeden Fall ganz vorne dabei.“ Umständehalber habe er länger auf einen Einsatz warten müssen. „So gesehen war es ein besonderes Spiel für mich, das muss ich schon sagen. Direkt im Mai, als ich wieder eingestiegen bin, hatte ich ein gutes Gefühl, hab dann ab der Saisonvorbereitung eine Superform gehabt. Eigentlich hab ich nur darauf gewartet, dass ich wieder spielen darf. Es war also nicht so, dass ich nicht bereit gewesen bin. Sondern ich hab einfach zuvor nicht die Chance bekommen, mich zu zeigen.“
Vorne Haugen, hinten Schifferl – wie häufig nach Trainerwechseln sind es die (Ex-)Reservisten, die auf sich aufmerksam machen. Mit Langzeiteffekt? Auf ein Mentalitätsmonster wie Schifferl wird Kauczinski am Samstag in Mannheim nicht verzichten – und auch Schifferl selbst hat vor, seinen Platz nicht so schnell wieder herzugeben. Selbst dann nicht übrigens, wenn Kapitän Jesper Verlaat Ende des Jahres wieder fit sein sollte. „Ich fühle mich nicht als Übergangslösung“, sagt er selbstbewusst: „Der Anspruch an mich selber ist nicht, jemanden zu vertreten – sondern so zu spielen, dass alle am Ende happy mit meiner Leistung sind.“ War am Sonntag der Fall. Schifferl ist zurück im Spiel – und wenn Stoff für künftige Dokus gesammelt wird, möchte er zum Stammpersonal gehören.ULI KELLNER