IOC-Mitglied mit Oscar: Michelle Yeoh. © AFP/LAURENT
Nationale Konkurrenz für München: Auch Berlin will noch einmal Olympia-Ausrichter werden. © JImagoörg Carstensen
Umstrittener Sportmanager: Michael Mronz. © Imago
IOC-Chefin aus Afrika: Kirsty Coventry. © IMAGO
Favorit für 2036: Katar will nach der Fußball-WM mit aller Macht auch die Spiele. © IMAGO/SVEN SIMON
München – Das Olympia-Museum ist eine Pracht. Es beherbergt wertvolle bayerische Exponate. Die Fackel von 1972, einen Waldi, den Stoff-Dackel, der jahrzehntelang nicht zu haben war. Auch der Rodelanzug von Eisrinnen-Urviech Georg Hackl, getragen beim Goldgewinn 1992 in Albertville, ist in einer Vitrine ausgestellt. Wirklich eine schöne Sammlung, in der sich viel erfahren lässt über die Geschichte und die Magie Olympischer Spiele. Überraschend jedoch ist der Standort: Doha, die Hauptstadt Katars. Im Jahr der Fußball-WM, 2022 war das, wurde das Museum „3 – 2 –1“ eröffnet – und die Intention dahinter nicht verborgen: Katar will die Spiele ausrichten. Scheicha Al Massaya Al Thani, die Leiterin des Museums, sagte: „Der eine Traum, die WM, ist wahr geworden, und der andere, Olympia, näher denn je.“ Es ist die Verfügung, die der Emir von Katar, als das Land Anfang der 70er-Jahre selbständig wurde, hinterlassen hatte: Die größten Sport-Events sollten stattfinden, wo es zunächst nur Wüste, das Meer und vor allem Gas und Öl gab.
Bis 2032 sind die Olympischen Sommerspiele vergeben, die in sieben Jahren werden in Brisbane stattfinden, in Australien, das mal wieder dran war nach Sydney 2000. Bei der Vergabe gibt es seit jeher einen kontinentalen Wechsel, in diesem Jahrhundert kamen zum Zug: 2004 Europa (Athen) – 2008 Asien (Peking) – 2012 Europa (London) – 2016 Südamerika (Rio de Janeiro) – 2020/21 Asien (Tokio) – 2024 Europa (Paris) – 2028 Nordamerika (Los Angeles). 2036 könnte nach zwölf Jahren mal wieder Europa dran sein. Jedoch: Neue Märkte drängen in den Sport, man sieht es an der Formel 1. Nur noch acht von 24 Rennen wurden an europäische Strecken vergeben, der Zirkus gastiert lieber in neuen Manegen (Shanghai, Bahrain, Abu Dhabi. Singapur, Saudi-Arabien) – und dieser Trend hat den gesamten Sport erfasst.
Für 2036 hat sich Katar in Position gebracht, ist wohl sogar Favorit, nachdem Indien einer ersten Hinterlegung seines Interesses noch nichts Weiteres hat folgen lassen. Aber grundsätzlich ist auch das ein „future player“: Das bevölkerungsreichste Land der Erde muss seine Power ja auch mal mit einem repräsentativen Event demonstrieren. Die reichste Familie Indiens, die Ambanis („Reliance Industries“), ist über Nita, die Frau des Firmenpatriarchen, im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) vertreten.
■ Wann kommt Afrikas Olympia-Premiere?
Auch Afrika drängt auf die Olympische Landkarte. Eine Bewerbung Kapstadts für 2004 war abgeschmettert worden, fast parallel scheiterte Südafrika damals auch im Vergabeverfahren der Fußball-WM 2006. Doch 2010 war Südafrika dran, als vom ganzen Kontinent akzeptierter Vertreter – der nachwies: Er kann es. Seit einigen Monaten steht dem IOC Kirsty Coventry vor, sie stammt aus Simbabwe. Von ihr wird erwartet, dass sie sich für Spiele in Afrika stark macht. Ägypten erwägt, für 2036 anzutreten. Allerdings: Die oberste Person in der olympischen Welt zu stellen, muss nicht unbedingt ein landsmannschaftliches Plus sein. Deutsche Bewerbungsversuche scheiterten auch am deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach. Spiele in Deutschland, deutscher IOC-Boss – das wäre zu viel Deutsches gewesen.
Das IOC hat keinen Mangel an Interessenten an Sommerspielen. Sie können in weitaus mehr Regionen stattfinden als die an Schnee, Eis und Berge geknüpften Winterspiele. Sollte das olympische Rotationsprinzip 2040 oder spätestens 2044 wieder einen europäischen Austragungsort vorsehen, dann würde ein deutscher Bewerber sich der Konkurrenz aus der Nachbarschaft stellen müssen. Madrid steht beim IOC ständig auf der Matte, Istanbul tritt regelmäßig an, landete 2020 sogar auf Platz zwei. London, das 2012 glänzte mit popkulturell ausgerichteten Spielen, erwägt eine neue Kampagne.
Ungewöhnlich waren die Vergaben an Los Angeles 2028 und Brisbane 2032. L. A. bekam die Spiele schon elf Jahre im Voraus zugesteckt, im Rahmen einer ziemlich spontanen Doppelvergabe. Mit dem Brisbane-Votum wurde vor allem der Deutsche Olympische Sport-Bund (DOSB) düpiert, der gerade das Interesse der Rhein-Ruhr-Region formulieren wollte, als das IOC die australische Stadt zum „bevorzugten Bewerber“ ausrief und auf weiteren Posteingang gar nicht mehr wartete. Blamiert stand der deutsche Sportmanager Michael Mronz da, der für Rhein-Ruhr lobbyierte. Mittlerweile aber wurde er ins IOC berufen – neben der ehemaligen Turnerin Kim Bui, die sich bei den European Championships 2022 in München vom aktiven Sport verabschiedet hatte, ist er deutscher Vertreter in der Weltregierung des Sports.
Ob Deutschland gut vertreten ist? Als besonders groß gilt der deutsche Einfluss nicht. Bezeichnend, dass der FDP-Politiker Otto Fricke, neuer starker Mann im DOSB, neulich sagte, eine Olympia-Bewerbung diene auch dem Zweck, „zu zeigen, dass der gute alte Freund wieder da ist“. Zwischen den Zeilen kann man herauslesen: Es wird wohl ein mehrfaches Bewerben benötigen, um einem Erfolg näher zu kommen. Über die Fachverbände können die Deutschen auch nicht lobbyieren. Lediglich Thomas Konietzko steht weltweit an der Spitze eines olympischen Sports – dem der Kanuten.
■ Wen schickt der DOSB ins Rennen?
Der DOSB muss erst noch entscheiden, wen er überhaupt ins internationale Rennen schicken würde. München? Hängt ab vom Votum der Bewohnerschaft. Berlin – hat Leipzig mit im Boot, ist die deutsche Stadt mit der mächtigsten Strahlkraft, aber von den Sportstätten nicht so gut aufgestellt, wie es vorgibt. Hamburg – wollte um 2024 mitbieten, doch das war nicht mehrheitsfähig: 2015 hebelte eine kleine Bürgerinitiative die mit hanseatischem Kaufmannsgeld unterfütterte Hochglanzbewerbung aus. Die Rhein-Ruhr-Region punktet mit interessanten Ideen wie den Schwimmwettbewerben vor Zigtausenden in der Schalker Fußballarena – doch die Organisation der World University Games 2025 war keine Empfehlung; da musste Berlin als zusätzlicher Austragungsort einspringen.
Der DOSB zeigte ebenfalls Schwächen: Alfons Hörmann musste als Präsident wegen seiner Mitarbeiterführung gehen, der Vorstandsvorsitzende Thomas Burmester flüchtete sich in die (erfolgreiche) Bewerbung um das Amt des Kölner Oberbürgermeisters. Ihn ersetzt mit Otto Fricke ein FDP-Politiker ohne Meriten im Sportbetrieb. Präsident Thomas Weikert wirkt blass. Visionäre Figuren wie Willy Daume und Walter Tröger, die man mit den Olympischen Spielen 1972 verbindet, hat der deutsche Sport schon lange nicht mehr.GÜNTER KLEIN