Effenberg, ein Herz für Bayern und Gladbach. © Imago
Steigt die Fohlenelf ab? Gladbach um Rocco Reitz (vorne) steht ganz unten. © Taeger/Imago
Bei Stefan Effenberg schlagen zwei Herzen in der Brust: Den FC Bayern führte er als Kapitän zu einem Champions-League- und diversen Meister-Titeln. Bei Borussia Mönchengladbach reifte er zum Bundesligaspieler. Am Samstag (15.30 Uhr, Sky) empfängt das Tabellenschlusslicht vom Niederrhein den deutschen Rekordmeister zum ungleichen Duell. Effenberg hat nur wenig Hoffnung für die Fohlen.
Herr Effenberg, Bayern gegen Gladbach – Tabellenerster gegen Tabellenletzter. Das gab es auch noch nicht allzu oft.
Das stimmt. Es ist eine sehr schwierige Situation, in der Gladbach steckt, aber ja nicht erst seit gestern, sondern schon saisonübergreifend. Sie sind seit 14 Spielen sieglos. Man hatte gehofft, die Vorbereitung bringt einen Cut, man hat auf eine Wende zum Saisonstart gehofft. Aber die ist ausgeblieben – und es wird ja nicht einfacher.
… denn jetzt kommen die Bayern.
Erst die Bayern – und dann die beiden schwierigen Spiele gegen St. Pauli, dann das Derby gegen Köln. Die Partie in Hamburg ist schon eine Art Abstiegsduell, dazu die Emotionen, wenn es gegen den FC geht. Diese drei Partien jetzt werden zeigen, ob man bis zum Ende unten drin stecken wird. Die Tendenz zeigt leider in diese Richtung.
Auch die Statistik zeigt: Die meisten Teams, die so früh eine so schlimme Krise haben, kommen unten nicht mehr raus.
Das ist ja dann oft wie eine Spirale. In Gladbach wurde der Trainer entlassen, mit dem man gar nicht erst in die Saison hätte gehen dürfen. Dann verabschiedet sich Roland Virkus. Das bringt ja auch keine Ruhe und Stabilität rein. Das sind Mega-Baustellen abseits des Platzes – und das schon nach dem siebten Spieltag.
Wer ist in der Bringschuld?
Du kannst nicht immer mit dem Finger auf die Spieler zeigen – und fragen: Haben sie überhaupt Qualität für die Bundesliga? Dann kannst Du auch nicht nur darauf hoffen, dass Tim Kleindienst und Franck Honorat zurückkommen – und dann ist das Problem behoben. Wenn du Trainer und Sportdirektor entlässt bzw. verlierst, ist im Kern des Vereins irgendetwas nicht gesund.
Aktuell stellt sich der neue Sportdirektor Rouven Schröder hinter den neuen Trainer Eugen Polanski.
Eine Aussage „wir halten am Trainer fest“ finde ich grundsätzlich im schnelllebigen Fußball nicht zielführend, im Abstiegskampf noch weniger. Aber für mich sind die kommenden drei Spiele ausschlaggebend dafür, wie es weitergehen muss. Ich wünsche Rouven Schröder für die Aufgabe alles Gute. Aber Eugen Polanski wirkte auf mich nach der Niederlage gegen Union fast hilflos und auch ein bisschen ratlos. Das hat man an seiner Körpersprache gemerkt. Die Aufgabe, die vor den beiden liegt, ist immens.
Im Winter muss er nachjustieren, oder?
Womöglich. Aber es geht vor allem um die unter Vertrag stehenden Spieler, die absolut verunsichert sind. Nehmen wir als Beispiel Rocco Reitz, der ohne Frage ein hochtalentierter Spieler ist. Auf seinen Schultern liegt jetzt die ganze Verantwortung, obwohl er einer ist, den du eigentlich noch führen musst. Die Leader fehlen mir.
Dabei braucht man sie im Abstiegskampf.
Genau. Es sind mit Sicherheit noch drei, vier Vereine um Gladbach rum, die auch gegen den Abstieg spielen. Aber sie müssen irgendwann anfangen zu punkten. So leid es mir tut: Wenn ich den Kader sehe, denke ich immer: Wie soll diese Mannschaft da unten rauskommen? Das geht nur mit Zusammenhalt – und jeder Menge Hoffnung.
Ist auch das das Prinzip gegen die Bayern?
Man sollte sich da jetzt nicht groß was ausrechnen. Aber es ist trotzdem ein enorm wichtiges Spiel.
Warum?
Weil du den Fans zeigen kannst, dass du alles, was du hast, auf dem Platz lässt. Das ist in der jetzigen Situation das A und O. Denn wie ich am Sonntag im „Doppelpass“ gemerkt habe, sagen die Fans: Ihr könnt verlieren – aber lasst bitte Euer Herz auf dem Platz! Kämpft bis zur letzten Minute! Wenn sie das tun, werden sie auch weiterhin den Rückhalt haben. Und den brauchst du gegen Pauli und Köln. Diese Spiele sind entscheidend. Da musst du mit vier oder sechs Punkten rausgehen.
Immerhin gibt es gegen die Bayern wenig zu verlieren.
Das stimmt. Und ich sage nochmal: Eine Niederlage ist nicht schlimm, alles andere wäre eine Überraschung. Für mich ist das eher ein Symbolspiel: Stimmt die Moral – oder stimmt sie nicht? Aus Erfahrung weiß ich: Wenn du immer alles gibst, dann sind die Gladbach-Fans außergewöhnlich gut. Im Abstiegskampf kann das ein Pfund sein.
INTERVIEW: HANNA RAIF