Verschafft sich mehr Gehör: Stina Johannes als Vertreterin von Ann-Kathrin Berger im Tor der DFB-Frauen. © IMAGO
Frankfurt/M. – Spiele, die um 21 Uhr angepfiffen werden, sind eigentlich nicht ihr Ding. Stina Johannes macht keinen Hehl daraus, dass sie an Champions-League-Abenden, ob Männer oder Frauen, oft nur die erste Halbzeit sieht. „Normalerweise sehe ich zu, dass ich gegen 22 Uhr schlafe, damit ich auf jeden Fall auf meine neun Stunden komme.“ Notgedrungen muss die deutsche Nationaltorhüterin nun ihren Bio-Rhythmus umstellen. Das Rückspiel Frankreich gegen Deutschland im Nations-League-Halbfinale beginnt Dienstag (21.10 Uhr/ZDF) sogar noch später.
Vermutlich wartet auf die 25-Jährige in Caen auch mehr Arbeit als beim Hinspiel (1:0). „Ich erwarte Frankreich ein wenig offensiver als am Freitag, aber ich bin guter Dinge, dass wir das Spiel wieder für uns entscheiden können – mit der gleichen Einstellung“, sagt die Vertreterin von der am Knie verletzten Ann-Katrin Berger. Ihr fünftes Länderspiel wird ihr bislang wichtigstes. In Düsseldorf verhinderte sie nach 73 Minuten mit einer tollen Parade gegen Melvine Malard den Rückstand. Zweimal ging allerdings bei Fehlpässen ein Raunen durchs Publikum.
Trotzdem hatte Johannes den Abend vor einer „super Crowd“ genossen. Durch die Ausfälle von Ena Mahmutovic (FC Bayern) und Sophia Winkler (Eintracht Frankfurt) kann sie ihren Status festigen. Und es ist nicht abwegig, dass EM-Heldin Ann-Katrin Berger am Jahresende vielleicht ganz aufhört. Die für den US-Club Gotham FC spielende 35-Jährige hatte mehrfach angedeutet, dass sie überlegen will, ob sie sich die ständigen Flüge über den Atlantik noch antun möchte. Bundestrainer Christian Wück will Bergers Zukunft in einem persönlichen Gespräch entweder in Deutschland oder den USA noch vor Weihnachten gemeinsam klären.
Bei der WM 2027 in Brasilien wäre Deutschlands beste Torhüterin fast 37. Es hört sich beim Bundestrainer mitunter so an, dass er auch auf dieser Schlüsselposition die Verjüngung einleiten möchte, obgleich Deutschlands Fußballerin des Jahres unbestritten das höchste Level verkörpert – an ihre besondere Aura reicht niemand heran. Auch Johannes nicht, die über die dauerhafte Beförderung vor der Reise in die Normandie nicht spekulieren wollte: „Diese Thematik ist gar nicht in meinem Kopf präsent, weil jetzt wirklich das Team an oberster Stelle steht.“
Bemerkenswert ist der gute Draht zu Berger, die für sie eher Ratgeberin denn Rivalin ist: „Ich habe mit Anne täglichen Kontakt, wir haben viel telefoniert. Ich schätze sie menschlich und sportlich sehr. Von daher vermisse ich sie auch. Sie ist eine hervorragende Athletin und ein noch viel hervorragenderer Mensch.“ Johannes gesteht, dass sie zu einer „Weltklasse-Torhüterin“ aufschaue, von der sie immer noch lerne: „Vor allem im Elfmeterschießen habe ich noch keine bessere erlebt. Sie gibt mir auch viel Feedback, wir reden viel.“ Es heißt, dass sie nach den Olympischen Spielen 2024 sogar darauf eingewirkt habe, dass die Schwäbin im Nationalteam bis zur EM 2025 weitermacht.
Es kann ein gutes Omen sein, dass die Wolfsburgerin beim 4:0 gegen Paris zum Auftakt der Königsklasse ohne Gegentor blieb. Johannes wirkte 90 Minuten hellwach – und das zu später Stunde.FRANK HELLMANN