„Es ist eine Ehre und es macht mir viel Freude, Präsident des FC Bayern sein zu dürfen“: Hainer will bis 2028 weitermachen. © Martin/MIMAGO
München – Es läuft beim FC Bayern – und damit soll an diesem Wochenende nicht Schluss sein. Auf dem Rasen geht‘s am Samstag (18.30 Uhr) gegen Bayer Leverkusen um den nächsten Sieg, daneben am Sonntag (10.30 Uhr) auf der Jahreshauptversammlung im BMW Park um die Wiederwahl von Herbert Hainer (71). Der Präsident hat viel vor in den kommenden drei Jahren – wie er im großen Interview verrät.
Herr Hainer, seit dem Pokalspiel wissen wir: der FC Bayern kann auch Rückstände drehen. Ist die Brust noch breiter als zuvor?
Wir haben eine starke Mannschaft, die bisher nicht nur alle Herausforderungen meistert, sondern dabei auch die Fans begeistert. Aber wir sind jetzt gerade erst im Herbst – die Titel werden im Frühjahr vergeben, und dann wird eine breite Brust entscheidend.
Trotzdem stimmt das Setting für die Jahreshauptversammlung. Was erwartet die Mitglieder?
Die Veranstaltung steht im Zeichen von „125 Jahre FC Bayern“; unter anderem gibt es eine Ausstellung inklusive Foto-Spots mit Exponaten aus unserer Vereinsgeschichte. Seit zwei Jahren verzeichnen wir einen historischen Mitgliederzuwachs, was zeigt, dass der Verein auch abseits der Spielfelder viel richtig macht. Um unseren Willen zum Austausch zu unterstreichen, veranstalten wir am Tag zuvor erneut ein Weißwurstfrühstück im BMW Park, für das 200 Mitglieder ausgelost wurden. Auch da werden wir darüber reden, welche Themen es für den Sonntag gibt.
2021 mussten Sie durch ein Stahlbad. Wie blicken Sie heute zurück?
Wir haben 2021 viel gelernt. Seitdem besuche ich noch regelmäßiger Fanclubs, dazu haben wir Dialogformate eingeführt und nun unser Ehrenamtsprogramm „Pack Ma’s“ sowie die Bewegungsförderung „Zam Aktiv“ für Kitas und Schulen. Unsere Mitglieder sollen sich aktiv einbringen. Allein 2025 haben wir 19 Veranstaltungen mit über 2170 Teilnehmern bei über 10 000 Anmeldungen organisiert. Die Mitglieder fühlen sich wertgeschätzt – und uns tut der Austausch gut.
Trotzdem gibt es immer wieder Überraschungen bei den Wortmeldungen.
Das Thema rot-weiße Trikots wird zum Beispiel wohl wieder kommen. Wobei man da diese Saison sagen muss: Unsere Trikots sind ja rot-weiß. So oder so sind wir aber für die nächste Saison optimistisch: das neue Trikot wird gefallen. Und die Frage von Hansi Gehrlein nach Freibier wird vermutlich auch gestellt werden (lächelt).
Das soziale Engagement ist enorm ausgebaut worden. Nimmt man den Vorwurf der Doppelmoral bewusst in Kauf – oder sollte man einen Gang zurückschalten?
Der Sport steht beim FC Bayern immer an erster Stelle. Aber Persönlichkeiten wie Franz Beckenbauer und Uli Hoeneß haben in diesem Verein eine starke soziale Verantwortung etabliert, und gerade in Zeiten, in denen zersetzende Kräfte unsere Demokratie aushöhlen, kann der Sport verbinden. Daher dürfen wir gerade jetzt nicht nachlassen! Dass es bei über 410 000 Mitgliedern mal Kontroversen gibt, ist logisch. Aber diesen stellen wir uns.
Man hat hier im Hause ja eine gute Streitkultur…
Auf jeden Fall. Wobei es beim Thema soziale Verantwortung des Vereins ja keinen Dissens geben kann. Bei anderen Themen ist es ganz normal, dass nicht immer Friede-Freude-Eierkuchen herrschen kann. Denn man kommt ja nicht weiter, wenn alle immer das gleiche Lied singen.
Sie sind viel an der Säbener Straße, selten daheim. Ihr Satz: „Zuhause wartet niemand mehr auf mich“ hat zuletzt berührt. Wie haben Sie nach dem Tod ihrer Frau zurück ins Leben gefunden?
Der FC Bayern hat mir in dieser Zeit sehr geholfen, das ist richtig. Es wird immer viel davon geredet, dass ein Verein eine Heimat ist, der Menschen Halt gibt. Wir möchten das vorleben – und ich habe es selbst erlebt. Für mich ist das keine Phrase. Aber ich kann mich auch beschäftigen, wenn beim FC Bayern mal nichts stattfindet. Ich versuche, viel Sport zu treiben, bin ein geselliger Typ und weiß, dass man Freundschaften pflegen muss. Sonst steht man irgendwann alleine da.
Reflektieren Sie bei Ereignissen wie einer Wiederwahl bewusst?
Wir dürfen uns auf keinen Fall ausruhen! Die Herausforderungen werden nicht kleiner angesichts der Möglichkeiten der europäischen Konkurrenz mit ihren finanzstarken Fremdinvestoren. Wir wollen unabhängig bleiben, dafür müssen wir auch an Stellschrauben im Profibereich drehen, zum Beispiel an den Gehaltsstrukturen. Denn wir wollen nicht bei der Bank betteln, wenn wir einen Harry Kane verpflichten wollen. Es geht darum, zu bewahren, was uns stark macht – und zu erneuern, was uns weiterbringt.
Wie lange dauert es denn, das Gehaltsgefüge im Kader wieder zu normalisieren?
Max Eberl und Christoph Freund arbeiten daran. Einige Verträge laufen aus, einige wollen wir verlängern, neue Spieler kommen. Man muss gemeinsam Lösungen finden. Aber wir sind auf einem guten Weg.
Wie sehen Sie den Fall Dayot Upamecano in diesem Kontext?
Max hat ja schon gesagt, dass wir gerne mit ihm verlängern wollen. Es muss immer für beide Seiten passen.
Eine Botschaft?
Ganz allgemein müssen wir unserer Linie treu bleiben. Es gab auch im Sommer Überlegungen, noch den einen oder anderen Spieler zu holen. Aber wir haben gesagt: Der Kader passt, wie er ist – und bietet die Möglichkeit, junge Spieler einzubinden. Denn Eigengewächse gehören zur Erfolgsformel des FC Bayern, siehe aktuell Lennart Karl. Das ist übrigens auch ein drängendes Thema bei den Fans. Da geht es um Identität.
Der FC Bayern versteht sich gerne als Familie. Was sagen denn die Fans mit Blick auf die Kluft zur Premier League: Lieber auf Erfolg verzichten – und dafür den Werten treu bleiben?
Ich bin der Meinung, dass wir mit unserer Philosophie punkten können. Es muss unser Ziel sein, Erfolg zu haben, ohne unsere DNA zu vernachlässigen. Wenn es heißt, es kommen keine Stars mehr zu uns, muss man nur mal unseren Kader anschauen. Ein weiteres Beispiel ist, dass Vincent Kompany seinen Vertrag so frühzeitig verlängert. Durch seinen Erfolg bei uns weckt er das Interesse von internationalen Topclubs, die mehr Geld zur Verfügung haben als wir. Aber was der FC Bayern in die Waagschale wirft, ist überzeugend. Für unsere DNA gibt es kein Preisschild und keine Ablösesumme. Die hat man oder man hat man nicht.
Gilt das auch für die Finanzen?
Jan-Christian Dreesen wird dieses Jahr wieder die Zahlen präsentieren – ich denke, wir können zufrieden sein.
Dabei ging lange die Angst rum, dass die Zahlen rot sind. Wieso wurde Alarm geschlagen?
Das Signal nach draußen, dass es nicht einfacher wird, ist bewusst gesendet worden. Denn jeder muss wissen: Auch uns fallen die gebratenen Tauben nicht in den Mund. Wir fangen aber jetzt nicht an, an der Säbener Straße das Obst für die Belegschaft zu streichen, wir versuchen eher, an den großen Hebeln anzusetzen: Transfererlöse, Verträge, Infrastruktur.
Max Eberl hat fleißig verkauft und eingespart. Hat er im Herbst 2025 ein besseres Standing als 2024?
Beim FC Bayern ist alles nochmal eine Nummer größer, es gibt viele starke Persönlichkeiten und damit auch mal Diskussionen. Aber all die Spekulationen, die da immer wieder mal aufkamen, darf man nicht zu hoch hängen. Es war beispielsweise seine Initiative, Vincent Kompany und Michael Olise zu verpflichten. Diese beiden machen uns jeden Tag Freude.
Was denken Sie als Chef eigentlich, wenn sich mal wieder ein Ex-Boss öffentlich äußert?
(lächelt) Nach 20 Jahren im Aufsichtsrat beim FC Bayern und sechs Jahren als Präsident kann man die Dinge schon einordnen. Wir sind unheimlich froh, dass wir Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge im Aufsichtsrat haben und wären ja schlecht beraten, wenn wir sie nicht im Boot hätten. Ich hoffe, dass uns die beiden noch lange erhalten bleiben. Ihr Wissen ist unersetzlich. Wenn Karl-Heinz Rummenigge oder Uli Hoeneß bei einem Verein oder einem Spieler anrufen, hat das ein enormes Gewicht – natürlich hat niemand sonst aus unserem Aufsichtsrat so eine Wucht in der Fußballwelt wie die beiden, und das hilft uns immer wieder. Es hat den FC Bayern immer ausgezeichnet, auch ehemalige Spieler einzubinden.
Könnte man den Fall andersrum aufrollen: Ex-Spieler in den Aufsichtsrat holen – und sie so für die Aufgabe als Vorstand vorbereiten?
Oder in den Verwaltungsbeirat. Wenngleich wir wissen, dass Profis des FC Bayern heute nach der Karriere in der Regel ausgesorgt haben. Da müssen sie viel Leidenschaft und Herzblut mitbringen und den Willen, ihren Verein wirklich weiterzuentwickeln, Tag für Tag. Aber ehemalige Spieler verkörpern etwas, das man nicht kaufen kann: Identifikation. Ein mahnendes Beispiel ist Manchester United, das ich immer geschätzt habe: Alex Ferguson war zwar kein Spieler, aber eine Identifikationsfigur. Seitdem er weg ist, haben sie leider große Probleme.
Ist bei Ihnen 2028 Schluss?
Jetzt hoffe ich erstmal, gewählt zu werden. Es ist eine Ehre und es macht mir viel Freude, Präsident des FC Bayern sein zu dürfen. Bei einem Treffen mit unserem Teens Club fragte mich neulich eine Jugendliche, ob ich noch einmal Präsident eines anderen Vereins werden möchte. Das kann ich definitiv ausschließen (lacht). Mein Herz schlägt rot.
INTERVIEW: HANNA RAIF UND MANUEL BONKE