„Laura war herzerfrischend“

von Redaktion

Bestseller-Autor Taufig Khalil über eines der letzten Interviews von Dahlmeier

Bock auf Biathlon: 20 Geschichten auf 315 Seiten.

Völlige Erschöpfung: Dahlmeier am Boden. © Imago

Gipfelstürmerin bis zum Schluss. © Instagram

Nicht nur ein Ergebnissport: Dahlmeier wollte „stets das perfekte Rennen abliefern“. © Hahne/Imago

In ihrem Lieblingscafé traf Khalil den Biathlon-Star.

München – Auf dem Golfplatz mit Peter Angerer, Cappuccino bei Arnd Peiffer, Magdalena Neuner war wiederum bei ihm zu Besuch – und als sein Buch „Bock auf Biathlon“ (erscheint am heutigen Mittwoch) eigentlich schon fertig war, klingelten noch die jüngst zurückgetretenen Johannes Thingnes und Tarjei Bö per Videoschalte durch. Taufig Khalil traf sämtliche Biathlon-Legenden und erzählt ihre Geschichten. Am 6. Mai verabredete sich der Journalist und Fußball-Reporter auch mit Laura Dahlmeier, die knapp drei Monate später bei einem Kletterunfall ums Leben kam. Es sollte ein Gespräch werden, das ihm noch lange in Erinnerung bleiben würde.

„Es war ein sehr schönes Treffen in ihrem Lieblingscafé in Garmisch“, sagt der 58-jährige Autor unserer Zeitung. „Sie wollte über Hochfilzen sprechen, weil es für sie ganz wichtig war, was sie dort erlebt hat – und das hat sie auch im Anschluss an ihre Karriere beim Bergsteigen immer wieder mitgenommen.“

Denn im letzten Rennen der WM 2017 stellte sich Dahlmeier – entgegen dem Rat der Ärzte und der Trainer – selbst auf. Aber der Reihe nach: In Hochfilzen düpierte die damals 23-Jährige ihre Konkurrenz. Vor dem abschließenden Massenstart holte sie die Titel in der Verfolgung, im Einzel, im Mixed sowie mit der Staffel, im Sprint gewann sie Silber. Doch Biathlon-Deutschland machte sich auch Sorgen um die Überfliegerin. Denn Dahlmeier brach nach dem Einzel zusammen, sie konnte sich „kaum auf den eigenen Haxen halten“, wird sie in Khalils Buch zitiert, und musste auf dem Weg ins Quartier gestützt werden.

Nach der Staffel, die Dahlmeier als Schlussläuferin zum nächsten Gold führte, ging sie komplett k.o.. „Als die Mädels aus meinem Team kamen, um mit mir zu feiern, bin ich flach mit dem Gesicht voran in den Schnee gefallen und war weg. Was mit diesem Rennen war, das war mir zu dem Zeitpunkt wurscht. Ich dachte: ‚Ich muss jetzt schauen, dass ich das überlebe.‘ Bei den Medaillenfotos merkte ich, wie mein Körper wegsackte und mir wieder schwarz vor Augen wurde“, erinnerte sie sich zurück. Doch mit dem Massenstart stand noch ein WM-Rennen an.

Am Morgen des Wettkampftags spielte sich dann für Dahlmeier eine ungewöhnliche Szene ab. „Das war wirklich herzerfrischend, wie sie erzählt hat, dass da plötzlich zwei Leute rumrennen, die da nie sind, und wie sie dann getuschelt haben“, so Khalil. Die Rede ist vom damaligen Cheftrainer Gerald Hönig und dem Mannschaftsarzt Klaus Marquardt, die ihr beim Frühsport zuschauten und ihr beim Frühstück sagten, dass sie nicht starten würde.

Aber nicht mit Dahlmeier, die einen Deal aushandelte, „das eigene Risiko“ trug und anschließend „eines meiner allerbesten Rennen“ lief. Das fünfte WM-Gold war für sie nur eine Randnotiz. „Ich wusste, das passt. Das war etwas, das nur ich spüren konnte und deswegen wollte und musste ich starten“, beschrieb Dahlmeier Khalil ihre Gefühle und Motivation.

Dieses Erlebnis half ihr auch bei ihrem (unbeabsichtigten) Weltrekord, als sie den Gipfel der Ama Dablam (6812 Meter) in Nepal gleich zwei Mal in nur drei Tagen bestieg. Beim zweiten Mal zog sie sogar allein los. Es habe sich „richtig“ angefühlt. Khalil erzählt, dass sie dieses Gefühl erstmals in Hochfilzen hatte. „Deswegen war ihr die Geschichte so wichtig.“

Der Autor erzählt: „Was ich an Laura interessant fand, dass sie immer offen gesagt hat, dass Biathlon nie alles für sie war.“ Als mehrfache Weltmeisterin und Olympiasiegerin hatte sie alles erreicht und beendete mit 25 Jahren ihre Karriere. „Laura wollte danach einfach ihre Naturverbundenheit ausleben.“ Bis zum Schluss tat sie das mit voller Leidenschaft. ALEXANDER VORMSTEIN

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