Abenteuer vor der Freiheitsstatue: Sophie Steinlein war für das deutsche Sail-GP-Team im Einsatz. © Ricardo Pinto
Am Wörthsee aufgewachsen, nun in der Segel-Elite: Sophie Steinlein beweist ihre Klasse. © Felix Diemer for SailGP
„Schneller geht es nicht. Ich habe fast die 100 Kilometer pro Stunde geknackt“, sagt Steinlein über die Erfahrung auf einem F50 Katamaran. © Ricardo Pinto for SailGP
Sophie Steinlein ist ein Ausnahmetalent auf dem Wasser. Mit erst 23 Jahren kann sie bereits Einsätze beim Youth & Women’s Americas Cup sowie dem SailGP, der Formel 1 im Segelsport vorweisen. Bei der 49erFX-Weltmeisterschaft gab es einen starken fünften Platz, das Ziel für die Olympischen Spiele in Los Angeles: Gold. Mit unserer Zeitung spricht Steinlein über Adrenalin, mentale Herausforderungen und ein furioses Rennen in New York.
Sophie Steinlein, bei der 49erFX-Weltmeisterschaft sind Sie mit Teampartnerin Catherine Bartelheimer auf den fünften Platz gesegelt. Überwog danach die Freude oder doch Ärger über eine verpasste Medaille?
Wir waren zur Vorbereitung schon länger auf Sardinien, eigentlich lief alles gut. Meine Segelpartnerin hat dann Pfeiffersches Drüsenfieber bekommen, wir konnten lange nicht zusammen trainieren. Die Tage bei der WM waren auf ein Auf und Ab. Vor dem Finaltag wussten wir: Jetzt müssen wir abliefern, dafür haben wir trainiert. Wir haben es leider nicht in das Top-4-Finale geschafft und hatten damit keine Chance auf die Medaille. Wir sind ein junges Team, der fünfte Platz ist ein richtiger Erfolg. Aber wenn man so nah dran gewesen ist …
Es war ein Ausrufezeichen in Richtung der Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles.
Das große Ziel ist Gold in Los Angeles. Bei der WM haben wir total viele Stellschrauben gefunden, an denen wir noch drehen müssen, wo wir Potenzial haben. Die Top-Teams wissen oft gar nicht mehr, was sie noch machen können, um besser zu werden, weil sie schon so lange in der Konstellation zusammenarbeiten. Wir wissen ganz genau, in welchen Bereichen uns noch viel fehlt. Wir sind noch lange nicht am Limit. Bei der Fitness und Schnelligkeit an Bord, die Explosivität. Andere Teams müssen über bestimmte Situationen gar nicht mehr reden, wir müssen noch viel kommunizieren. Wir wissen noch nicht ganz, wie der andere denkt, da fehlt noch die Routine. Diese Entscheidungen müssen innerhalb von Millisekunden getroffen werden. Da ist blindes Verständnis Gold wert.
Apropos blindes Verständnis … Das gibt es vermutlich auch mit Zwillingsschwester Theresa, die bei der Windsurf-WM Bronze gewann. Die Familie lebt also für den Wassersport …
Wir sind insgesamt vier Schwestern und wir waren in der Kindheit auch alle vier schon in demselben Wettkampf (lacht). Im Training hat uns das sicherlich gepusht. Auch mental ist das super hilfreich. Theresa hat viele Situationen schon erlebt, die noch vor mir liegen. Bei der WM haben wir in der entscheidenden Phase jeden Morgen telefoniert. Wir können uns gegenseitig motivieren. Wir verstehen, worauf es im Leistungssport ankommt. Auch, wenn es verschiedene Disziplinen sind, bestreiten wir den Weg Richtung LA gemeinsam.
Warum haben Sie sich letztendlich gegen das Windsurfen entschieden?
Ich wollte Windsurfen als Leidenschaft behalten. Durch den Leistungsdruck wird es zum Job. Segeln ist viel strategischer und taktischer, da sehe ich meine Stärke. Ich liebe diese taktischen Spiele, wenn man mit Entscheidungen den ganzen Rennverlauf beeinflussen kann.
Mit der Serie SailGP gibt es eine neue Eventreihe. Sebastian Vettel, Ryan Reynolds, Hugh Jackman oder auch Lindsey Vonn sind als Investoren und Fans mit dabei.
Das ist ein unglaublich cooles Format. Dort messen sich Olympiasieger auf Hightech-Booten. Es ist eine ganz andere Form des Segelns. Schnelligkeit, ganz schnelle Entscheidungen, viel Adrenalin. Es ist spektakulär, das olympische Segeln bekommt medial mehr Aufmerksamkeit, das merkt man. Natürlich auch durch die Stars und bekannten Sportler, die mit dabei sind.
Unter anderem in New York waren Sie als Strategin für das deutsche Team mit dabei. Was war das für ein Gefühl?
Ich bin mit den größten Segellegenden auf Kurs gewesen und auch an Bord. Ich konnte da unheimlich viel für mich rausziehen und das für meine Kampagnengestaltung nutzen. New York war echt heftig. Wir sind unmittelbar vor der Freiheitsstatue und der Skyline entlanggefahren. Das ist eine ganz andere Welt. Man realisiert erst später, was man da eigentlich erleben durfte.
Auf einem F50 Katamaran geht vermutlich alles ziemlich schnell …
Schneller geht es nicht. Ich habe fast die 100 Kilometer pro Stunde geknackt, als ich am Steuer war. Man hat Respekt davor, aber auf dem Boot selbst hat man keine Angst. Man hat keine Zeit, Angst zu haben (lacht). Du brauchst den vollen Fokus, jedes Detail ist entscheidend. Ich habe mehr Angst, wenn ich von außen zuschaue. Es ist alles so eng, schnell und sieht gefährlich aus. Aktuell konzentriere ich mich auf die Olympia-Kampagne. Mein Ziel ist es, nach den Spielen als festes Mitglied in das Sail-GP-Team zurückzukehren.
INTERVIEW: NICO-MARIUS SCHMITZ