„Ich habe den Krieger in mir“

von Redaktion

Vom Fußball in den Käfig: MMA-Star Christian Jungwirth kämpft im SAP-Garden

Leidenschaftlicher Stuttgart-Fan: Jungwirth. © Kikinder

„Im Kampfsport lernst du nie aus“, sagt Jungwirth (l.). © Oktagon

Am Samstag erobern die Käfigkämpfer den SAP Garden. Die Serie Oktagon MMA gastiert in München und Christian Jungwirth trifft auf Niklas Stolze. Jungwirth ist einer der deutschen Helden der Szene. Als Jugendlicher spielte er beim VfB Stuttgart als Torhüter unter Thomas Tuchel, doch der Profi-Traum platzte. Der Kampfsport gab seinem Leben wieder eine Richtung. Der 38-Jährige begeistert die Fans mit seinem unbändigen Willen. Aufgeben ist keine Option. Das Interview mit unserer Zeitung.

Christian Jungwirth, Ihr Heimspiel in Stuttgart mussten Sie verletzungsbedingt absagen. Nun steigen Sie endlich wieder in den Käfig, im Münchner SAP Garden.

Das München-Datum war in meinem Kalender immer schon dick angestrichen. Das ist auch wie ein Heimspiel für mich. Ich freue mich riesig darauf. Die Halle wird brennen, das Dach wird abfliegen.

Was löst das in Ihnen aus, wenn die Menschen beim Einlauf ihren Namen brüllen, die Plakate und Flaggen mit Ihrem Gesicht drauf?

Das habe ich mir alles hart erarbeitet. Es macht mich unheimlich stolz, dass ich diese Fangemeinde habe. Ich habe ein Jahr lang nicht gekämpft. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so Bock auf einen Kampf hatte. Der Gegner ist stark, ich respektiere ihn. Aber am Samstag gibt es keine Freundschaften, da gibt es einfach nur Vollgas.

Sie haben in der Jugend Fußball gespielt, unter anderem unter Thomas Tuchel beim VfB Stuttgart. Und mussten irgendwann einsehen, dass es nichts wird mit der Profikarriere.

Fußball wird immer ein großer Teil von meinem Leben bleiben. Ich bin treuer VfB-Anhänger, reise so oft es geht mit zu den Spielen. Als der Traum vom Profifußball damals geplatzt ist, hat es lange dauert, das zu verarbeiten. Ich habe die dunkelste Phase meines Lebens durchgemacht. Das war mit 22. Ich hatte plötzlich viel Zeit am Wochenende und kein Ziel mehr im Leben. Als Torwart war ich immer fitter als alle anderen, habe nach dem Training noch Extrarunden gedreht und Liegestütze gemacht. Das war dann alles weg. Ich habe nur noch in den Tag hinein gelebt. Es ging los mit Drogen und Alkohol, viele Partys. Im Nachhinein war das echt eine schlimme Zeit. Ich bin dankbar, dass der Kampfsport mich gefunden hat. Das Feuer, das ich als kleiner Junge beim Fußball hatte, hat plötzlich wieder gebrannt. Ich bin dadurch ein zufriedener, ausgeglichener und glücklicher Mensch geworden.

Zu Beginn Ihrer Kampfsportkarriere haben Sie parallel noch in der Fabrik gearbeitet.

Es gab drei Schichten, ich habe gearbeitet, trainiert, geschlafen, gearbeitet, trainiert … Damals war MMA in Deutschland noch nicht so weit, wie es jetzt ist. Meine Schwägerin konnte damit gar nichts anfangen. Wie kannst du dafür nur deinen Job kündigen, hat sie mich gefragt. Ich wollte aber nicht mit 60 Jahren auf diese Gelegenheit zurückblicken und etwas bereuen. Jetzt läuft MMA im TV, wir haben eine hohe mediale Präsenz. Die Leute sehen jetzt, dass wir nicht nur die brutalen Kämpfer sind, sondern auch einigermaßen normale Menschen (lacht). Bisschen verrückt schon, sonst würden wir den Sport nicht machen.

Sie haben erst spät mit dem Kampfsport begonnen. Manche technischen Fertigkeiten, die vielleicht noch fehlen, machen Sie mit Ihrer Leidenschaft wett.

Ich habe mit 28 mit Boxen angefangen, mit 30 dann mit MMA. Jetzt bin ich 38, die meisten haben in dem Alter längst aufgehört. Ich bin immer noch in der Lernphase. Im Kampfsport lernst du eh nie aus. In den ersten zwei Jahren bei Oktagon hatte ich zwölf Kämpfe, da hat mein Körper irgendwann gestreikt. Jetzt habe ich mir Zeit genommen, war in Brasilien im Trainingslager. Ich bin bereit!

In Oberhausen haben Sie 2023 gegen Bojan Velickovic verloren, waren aber trotzdem der Held des Abends. Velickovic hatte Sie im Würgegriff, die ganze Halle dachte, jetzt geht dem Jungwirth die Luft aus, er muss abklopfen. Sie sind aufgestanden, mit dem Gegner auf dem Rücken und konnten ihn abschütteln. War das Aufgeben nie eine Option?

99 Prozent hätten da aufgegeben. Das eine Prozent zeigt, dass alles möglich ist, wenn man den Willen und Herz hat. Das ist einfach in mir. Den Krieger habe ich einfach in mir. Ich heiße nicht umsonst „The Kelt“. Der letzte lebende keltische Krieger. Wenn ich die Haustüre in Bopfingen aufmache, sehe ich den Berg Ipf, da haben die Kelten vor 2500 Jahren gelebt. Da spüre ich direkt eine Verbindung, es passiert nichts durch Zufall.

NICO-MARIUS SCHMITZ

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