Musste einiges einstecken: Hans-Joachim Watzke bei der Mitgliederversammlung des BVB. Mit 59 Prozent der Stimmen wurde er zum neuen Präsidenten gewählt. © Dennis Ewert/Imago
Dortmund – Von der schallenden Ohrfeige für Klubboss Hans-Joachim Watzke und den Buhrufen nach dessen Wahl wusste Waldemar Anton noch nichts, als er bei der Dortmunder Mitgliederversammlung über die Stimmung bei der Borussia redete. Man solle „kein großes Drama daraus machen“, bat der Abwehrspieler und meinte damit eigentlich die stockende sportliche Entwicklung beim BVB. Doch die Wortwahl passte auch perfekt auf die Gemengelage im Verein.
Vor wenigen Wochen noch herrschte große Zuversicht, dass Dortmund womöglich ein ernsthafter Bayern-Jäger sei. Die lange Erfolgsserie in der Bundesliga, starke Auftritte in der Champions League – unter dem neuen Trainer Niko Kovac schien sich Stabiles zu entwickeln. Doch nach drei Pflichtspielen in Folge ohne Sieg mit insgesamt acht Gegentoren sind die Zweifel zurückgekehrt. Gegen den FC Villarreal am Dienstag (21 Uhr/Prime Video) steht plötzlich wieder Grundsätzliches infrage.
„Wir sind gefestigt genug, um den Schalter umzulegen“, behauptete Anton und sprach von „Kleinigkeiten, die wir abstellen müssen“. Wie beim spektakulären wie enttäuschenden 3:3 im Bundesliga-Verfolgerduell gegen den VfB Stuttgart, bei dem der BVB zum vierten Mal in dieser Saison in den Schlussminuten einen Sieg hergab.
Doch nicht nur sportlich knirscht es beim Traditionsklub unüberhörbar. Als am Sonntagabend die Mitglieder den bisherigen Profi-Boss Watzke bei der Wahl zum Vereinspräsidenten mit nur 59 Prozent Zustimmung – ohne Gegenkandidaten – abstraften, zeigten sich tiefe Risse.
Dem langjährigen Anführer, der den Klub einst vor der Insolvenz gerettet hatte, verweigerten vor allem die organisierten Fans die Gefolgschaft. Heftige Kritik gab es an der öffentlichen Schlammschlacht mit seinem Vorgänger Reinhold Lunow, am umstrittenen Sponsorendeal mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall und am Umgang mit den jüngst öffentlich gewordenen Missbrauchsvorwürfen gegen einen Ex-Funktionär. Watzke, der intern mit mindestens 70 Prozent Unterstützung gerechnet haben soll, musste in der Westfalenhalle auch laute Buhrufe einstecken.
Misstöne gab es aber auch bei den Fußballprofis. Kovac wies Nationalspieler Maximilian Beier öffentlich zurecht – wenn auch mit einem Grinsen. Die Stimmung sei „am Boden“, hatte Beier nach dem späten Ausgleich gegen Stuttgart berichtet. „Am Anfang der Saison hat er gesagt, wir wollen Meister werden. Jetzt sind wir am Boden. Wir müssen nicht immer alles glauben, was der Junge sagt“, meinte der Coach.
Gegen den spanischen Tabellendritten Villarreal, der fünf seiner vergangenen sechs Pflichtspiele gewann, will sein Team „ein anderes Gesicht zeigen“, sagte Anton. Nach sieben Punkten aus den ersten vier Partien in der Champions League – drei davon auswärts – beginnt für den BVB die „Heim“-Rückrunde in der Ligaphase. Im ersten von drei Spielen im eigenen Stadion ist ein Sieg Pflicht, um den Kontakt zu den Top Acht zu halten. Das Problem: Gegen Spitzenklubs hat Dortmund in dieser Saison noch nicht gewonnen – weder national noch international.SID