Seinen Verein Borussia Dortmund als Präsident führen zu dürfen – das hatte Hans-Joachim Watzke zuletzt als „Lebenstraum“ bezeichnet. Seit Sonntag ist klar: Die Mitglieder des BVB erfüllen dem Unternehmer aus dem Sauerland diesen Traum. Mit dem Ergebnis von 59 Prozent der Stimmen (ohne einen Gegenkandidaten) straften sie Watzke aber auch ab.
Die Mitglieder bringen die kritischen Themen der jüngsten Zeit offenbar auch mit Watzke in Verbindung: der Umgang des Clubs mit den (in Aufarbeitung befindlichen) Vorwürfen sexueller Übergriffe, die gegen einen Ex-Mitarbeiter im Raum stehen. Der Wirbel um den nur wegen seines Rückzugs ausgebliebenen Machtkampf mit Amtsvorgänger Reinhold Lunow. Der Rheinmetall-Deal.
Watzke gab sich demütig und respektvoll – der Sonntag war für ihn bei aller Kritik auch ein Tag großer Emotionen. Nach mehr als 20 Jahren in der Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft, wo er auch und gerade den Belangen der Aktionäre verpflichtet war, vollzog der 66-Jährige mit dem Wechsel ins Präsidentenamt einen Seitenwechsel – zum Stammverein.
In seiner bisherigen Funktion hatte sich Watzke gewaltige Verdienste erworben. Die Rettung des BVB vor der Insolvenz 2005 ist eng mit seinem Wirken verbunden, der Aufstieg zu einem Stammgast in der Champions League – mit der Einstellung des einstigen Erfolgstrainers Jürgen Klopp im Jahr 2008 als Basis – ebenfalls. In seine Ära fallen fünf große Titel und vier verlorene DFB-Pokal-Endspiele sowie zwei Finals in der Königsklasse.
Dafür durfte sich der Boss auch feiern lassen. Durch seine Ämter bei der DFL, beim DFB und im Uefa-Exekutivkomitee wird er auch vorerst weiter einer der einflussreichsten deutschen Funktionäre bleiben. Und doch wird Watzke wissen, dass seine neue Rolle ihn anders fordern wird. Die Mitglieder des BVB haben ihm das gewünschte Mandat erteilt, ihm aber zugleich eine klare Botschaft mit auf den Weg gegeben: Sie werden genau hinsehen, ob Watzke seine Erfahrung nutzt, um die sich derzeit häufenden, mitunter höchst brisanten Themen mit der gebotenen Sensibilität zu bewältigen.