Zu riskant: Neuer wollte gegen Martinelli klären – verschuldete aber das 1:3. © von Fehrn/IMAGO
London – Muss Bundestrainer Julian Nagelsmann Manuel Neuer mit zur Weltmeisterschaft 2026 nehmen? Zwar hatte der Torhüter des FC Bayern im Sommer 2024 seinen Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft bekanntgegeben. Doch aufgrund seiner bärenstarken Leistungen im Verein und der Rücken-OP inklusive Degradierung beim FC Barcelona von Marc-André ter Stegen wurde der Schrei nach einem DFB-Comeback Neuers in den vergangenen Monaten lauter.
Nach seinem Pannen-Auftritt bei der 1:3-Pleite des FC Bayern am Mittwoch in der Champions League gegen den FC Arsenal stellt sich aber nicht nur hinter vorgehaltener Hand die Frage: Macht Neuer die Nationalmannschaft bei der WM 2026 tatsächlich um Welten besser? Vor allem für seine misslungene Rettungsaktion, die die erste Saisonniederlage des deutschen Rekordmeisters besiegelte, wurde der Münchner Kapitän kritisiert. Neuer selbst erklärte seinen wilden Ausflug allerdings mit Pragmatismus. Wie bereits mehrfach in der Vergangenheit zeigte er dabei kaum Selbstkritik.
„Wenn du zurückliegst, ist es einfach so, dass man ein bisschen mehr Risiko gehen muss“, sagte der 39-Jährige nach dem Spiel in London. Vor dem dritten Gegentreffer war Neuer weit aus seinem Tor, aber nicht an den Ball gekommen. Gegenspieler Gabriel Martinelli hatte freie Bahn. Er habe gesehen, dass Arsenal ohnehin zu einer Großchance gekommen wäre, sagte Neuer. Ohne sein Eingreifen wäre Martinelli ins Laufduell mit Mittelfeldchef Joshua Kimmich gekommen. „Ich sag‘ mal, dass er schneller ist als Jo“, äußerte Neuer, der deshalb eine Eins-gegen-Eins-Situation auf sich zukommen sah. „Das war mir klar, ich habe versucht, das vorher zu beseitigen.“
Martinelli nahm den Ball ideal mit und legte ihn auf Höhe der Mittellinie an Neuer vorbei. Auch der Pass zuvor sei entscheidend gewesen, sagte der Bayern-Torhüter: „Da komme ich am Ende nicht mehr hin, wobei ich wusste, dass ich großes Risiko gegangen bin.“ Nach dem Tor in der 77. Minute war das Spiel entschieden.
Auch beim ersten Gegentreffer machte Neuer eine unglückliche Figur. Jurrien Timber setzte den Ball in der 22. Minute nach einer Ecke per Kopf an den Händen des Keepers vorbei ins Tor. Neuer war zuvor aber vom Niederländer angerempelt worden. Sportvorstand Max Eberl nannte das Verhalten der Arsenal-Stars, die in dieser Saison bei Standards effizient sind, „Chaos, und Chaos kannst du nicht verteidigen“. Neuer erklärte: „Er bringt mich natürlich aus der Balance, das ist klar, und dann habe ich eine andere Position, als ich gerne gehabt hätte, und komme vorne nicht mehr so hin.“ Schon in den Spielen zuvor gegen Union Berlin (2:2) und Freiburg (6:2) hatte er jeweils gepatzt. Zur Wahrheit gehört aber auch: Mit seinen Paraden hat Neuer sowohl den FC Bayern als auch die Nationalmannschaft zu Siegen und Titeln geführt. Und in Top-Form ist er noch immer spitze. Eberl antwortete zuletzt in der „Sport Bild“ auf die Frage, ob Neuer zur WM muss, mit einem deutlichen „Ja“. Ob Nagelsmann das auch so sieht? Und dann ist noch unklar, ob Neuer überhaupt zurück zum DFB möchte. Aktuell ist Hoffenheims Oliver Baumann die Nummer eins. An Champions-League-Abenden schaut der aber nur zu…P. KESSLER, H. RAIF