Bewusstes Schweigen ist wirklich wahrnehmbar. Sogar in einem nur zu zwei Dritteln gefüllten Sinsheimer Stadion, dem bisweilen eine Grundstimmung wie in der Aussegnungshalle nachgesagt wird. Doch auch bei Hoffenheim – Augsburg wandelten sich Geräuschkulisse und Atmosphäre mit dem Moment, in dem die zwölf Minuten des Protestes oder der Warnung an die deutsche Innenministerkonferenz abgelaufen waren und die Kurven auf Normalbetrieb umstellten. Das zweite Wochenende nun wurde in den Bundesliga-Arenen das Anliegen an die Politik klargemacht: Lasst unsere Fußballkultur in Ruhe!
Schon bei einem Fanmarsch kürzlich in Leipzig zeigte sich: Fans sind in der Lage, Sachfragen in den Vordergrund zu stellen und ihre bisweilen ja wirklich albernen Ressentiments und ihr Lagerdenken zu überwinden. Das Erstaunliche an den derzeitigen Aktionen ist zudem: Es gibt keinen Riss zwischen den Szenen einer- und Clubs/Liga andererseits, sondern Einigkeit, dass das Ansinnen der Politiker, den Stadionbesuch stärker reglementieren zu wollen, haltlos ist. Sogar die Sky-Kommentatoren, die sonst Schnappatmung bekommen, sobald irgendwo eine Fackel angezündet wird, sind auf einmal besser im Thema.
Es mag zwar populistisch sein, der Gegenseite Populismus vorzuwerfen – aber es stimmt halt: Die Innenminister sind bisher nicht dadurch aufgefallen, einen richtigen Zugang zum Sport gefunden zu haben. Man denke da nur an den Bayern-Sheriff Joachim Herrmann, dem ja auch das Sportressort anvertraut ist und der nach dem Multisportevent European Championships 2022 in München mit einem Vergleich des Turn- zum Fußballpublikum seine grundlegende Unkenntnis offenbarte.
Die Faktenlage ist eindeutig: Der Besuch eines Fußballspiels ist sehr viel sicherer als der eines von staatlicher Seite geduldeten Alkoholgelage wie dem Oktoberfest. Rund um die Stadien könnte die Polizei ein wenig abrüsten. Mit der großen Mehrzahl der Fans kann man sich sachlich auseinandersetzen – das sollte die diese Woche tagende Innenministerkonferenz anerkennen.