Reporter Tobias Ruf traf Rodel-Legende Georg Hackl vor den ersten Tests in Cortina. © Ruf
Cortina – Rodel-Legende Georg Hackl geht in seine letzte Weltcupsaison. Das kündigt der 59-Jährige beim Treffen mit unserer Zeitung in Cortina an. Zudem geht es um die neue Olympiabahn, die Probleme in Innsbruck und am Königssee und konkrete Gefahren für den Sport.
Herr Hackl, wie gefällt Ihnen die neue Olympia-Bahn in Cortina?
Obwohl hier noch viel Baustelle ist, kann man die Bahn als gelungen bezeichnen. Sie ist nicht die allerschwerste, wird uns aber guten Sport und durchaus kompetitive Wettbewerbe bieten. Wirklich bemerkenswert ist, dass es den Italienern gelungen ist, innerhalb von eineinhalb Jahren eine funktionsfähige und gute Bahn zu bauen. Da können sich andere Nationen eine dicke Scheibe von abschneiden.
Sie spielen auf die Bahnen in Innsbruck und am Königssee an. Was ist schiefgelaufen?
Für uns Rodler und die Skeletonis leider sehr viel. Man hat in Innsbruck fast 30 Millionen Euro investiert, um die Bahn für die Zukunft zu rüsten. Mit dem Ergebnis, dass sie in den Bereichen, die umgebaut wurden, einfach zu gefährlich ist. Wir Rodler waren schon skeptisch, als wir die Pläne sahen. Unter dem Strich ist das für den österreichischen Rodel- und Skeletonsport eine mittlere Katastrophe.
Wie beurteilen Sie die Lage auf Ihrer Heimatbahn am Königssee?
Es ist extrem frustrierend und eine große Gefahr für unseren Sport – noch größer als in Innsbruck. Am Königssee ist es seit fünf Jahren nicht gelungen, die Bahn wieder aufzubauen. Ich stecke in den Details nicht drin, sehe aber, wie sich die Situation entwickelt. Man verliert sich seit Jahren in Kleinigkeiten, Bürokratie und kontraproduktivem Perfektionismus. Das steht leider stellvertretend für viele Beispiele in Deutschland.
Was bedeutet das für den Stützpunkt Berchtesgaden?
Uns droht die Gefahr, dass eine ganze Generation an Nachwuchssportlern wegbricht. Jede Sportart kämpft ohnehin schon um den Nachwuchs. Ohne gute und nahegelegene Trainingsbedingungen suchen sich die Kinder dann Alternativen. Öffentlich werden die Rodel-Medaillen bei Großereignissen bejubelt. Aber wenn man die Zukunft so leichtfertig aufs Spiel setzt, gibt es künftig eben auch keine Erfolge mehr.
Schauen wir auf die nahe Zukunft. Im Februar sind Sie zum elften Mal bei Olympia. Kribbelt es da noch?
Sportlich auf alle Fälle. Olympia ist immer etwas besonderes und ein bedeutender Teil meines Lebens. Ich freue mich auf die Spiele, auch wenn ich im Bezug auf das Rennrodeln etwas Bauchschmerzen habe.
Das müssen Sie präzisieren.
Am Rande der Spiele 2018 in Südkorea wurde aufgrund der Gender-Equality seitens des IOC beschlossen, dass auch der Doppelsitzer der Damen ins Programm aufgenommen werden muss. Das war eigentlich undenkbar, in erster Linie aus Sicherheitsaspekten. Unter großen Anstrengungen ist es uns Rodlern gelungen, die Disziplin so zu entwickeln, dass wir heute wirkliche gute Damen-Doppelsitzer sehen. Die Sache hat aber einen Haken.
Der da wäre?
Wir haben eine weitere Disziplin, aber die Anzahl der Athleten, die zu Olympia darf, wurde nicht erhöht. Das hat zur Folge, dass es bei anderen Disziplinen spürbare Reduzierungen geben muss. Das sehe ich sehr kritisch im Hinblick auf die Zukunft des Rennrodelns bei Olympia.
Welche Konsequenzen könnte das langfristig haben?
Der Unterbau könnte wegbrechen. Je weniger Möglichkeiten es auf einen Startplatz bei Olympia gibt, desto geringer könnte die Anzahl an Nachwuchssportlern sein, die den Sport ausüben. Dann sind irgendwann nur noch vier oder fünf Nationen dabei. Und dann wird das IOC sagen, dass das Rodeln nicht divers genug ist. Ich habe das Gefühl, man setzt immer mehr auf die großen Sportarten und will die kleineren, wie beispielsweise Rennrodeln, aus dem Programm drängen.
En harter Vorwurf…
Dessen bin ich mir bewusst, aber das mein subjektiver Eindruck ist. Ich hoffe, dass man sich die Situation genau anschaut und rechtzeitig erkennt, wenn es zu Fehlentwicklungen kommt. Da ist auch der Internationale Rodelverband gefordert.
Schauen wir auf die kommende Saison. Wie ist das österreichische Team aufgestellt?
Ich bin sehr zuversichtlich. Wir sind in allen Disziplinen konkurrenzfähig und haben eine schlagkräftige Mannschaft beisammen. Auch wenn die Sperre von Madeleine Egle schwer ins Gewicht fällt.
Egle wurde wegen dreier verpasster Dopingtests für 20 Monate gesperrt? Für Sie nachvollziehbar?
Madeleine hat Fehler gemacht, keine Frage. Dennoch hat uns überhaupt nicht gefallen, wie lange sich das Thema hingezogen hat. Das war in erster Linie für Madeleine eine enorme psychische Belastung. Und grundsätzlich missfällt mir sehr, wie das Strafmaß angesetzt wird. Nachweislich überführte Dopingbetrüger werden genauso lange gesperrt wie Athleten, die drei Tests verpassen. Da stimmt für mich das Verhältnis nicht.
Was trauen Sie den deutschen Rodlern zu?
Wie immer, sehr viel. Auch Deutschland ist in allen Disziplinen sehr gut aufgestellt und gehört für uns zu den Hauptkonkurrenten im Weltcup und bei Olympia.
Ihr Vertrag in Österreich endet nach der Saison. Wie geht es danach weiter?
Das kann ich im Detail noch nicht sagen. Es steht für mich aber fest, dass es meine letzte Saison im Weltcup sein wird. Ich bin seit fast 40 Jahren in jedem Winter unterwegs, nach dieser Saison ist Schluss damit. Dem Rodeln will ich in irgendeiner Form erhalten bleiben, aber nicht mehr in dieser Intensität. Im Nachwuchsbereich könnte ich mir ein Engagement durchaus vorstellen. Aber wie gesagt, genau weiß ich es selbst noch nicht. Noch liegt mein Fokus komplett auf der Saison, danach kann ich guten Gewissens abtreten.
INTERVIEW: TOBIAS RUF